Wie wird das Wetter im Sommer 2018?

- Kai Zorn
Wie wird das Wetter im Sommer 2018?
© dpa
Der Sommer 2018 startet im Juni mit heißen Temperaturen. Geht es danach ähnlich weiter?

Rekordwärme im April und Mai. Und auch der Juni wird heiß starten. Ist das ein gutes oder schlechtes Omen für das Wetter im Sommer 2018? Kai Zorns Prognose.

Liebe Leser, zunächst einmal danke ich Ihnen und Euch für die vielen Anfragen und Bitten, endlich wieder schriftliche Kolumnen zu verfassen - und das trotz des digitalen Zeitalters, in dem alles kurz, laut und oberflächlich sein muss. Wir werden ein bisschen back to the roots gehen und die Wetterküche zumindest einmal in der Woche ausführlich mit allen Details besprechen. Und ich muss zugeben: Das freut mich persönlich sehr :)!

Eine schriftliche Kolumne macht zwar unglaublich viel Arbeit, dafür aber auch unglaublich viel Spaß... (Ich hatte übrigens mal überschlagen: Vor dem Videozeitalter haben wir zusammen seit 2004 mehr als 5000 Seiten zusammen über das Wetter philosophiert - krass, oder?)

Wetter zwischen den Extremen viel Interessanter

Na dann starten wir doch gleich mal mit einem ordentlichen Thema, dem Sommer. Wisst Ihr, was ich so gar nicht leiden kann? Wenn es immer nur um Extreme geht. Irgendwann werden nur noch Gerippe im Wüstensand oder die Spitze des Kölner Doms in den Wassermassen gezeigt, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Dabei ist das Wetter an sich doch viel interessanter, das erstens zwischen den beiden Extremen stattfindet und das zweitens nicht ein Promilleteil von uns betrifft, sondern (fast) alle. 

Lasst mich dazu eine Anekdote erzählen: Als ich vor knapp 20 Jahren in einem landesweiten Sender arbeitete, zog am 3. August 2001 über Oberbayern und Oberösterreich ein gewaltiger Tornado. Es kam zu massiven Verwüstungen, es gab Dutzende von Verletzten und ich schaltete mich damals, nach einem Anruf  von meinem Nachbarn, in den Verkehrsfunk und gab eine Evakuierungswarnung heraus. Wie sich später bei der Schadensbegutachtung heraus stellte, zog ein F3 über viele Landkreise.

Bei den anschließenden Aufräumarbeiten packte ich mit an. Es sah aus wie nach einem Bombenangriff. Häuser wurden stark demoliert, Wälder gerodet, es gab massenhaft blockierte Straßen...

Von der regionalen Presse abgesehen interessierte sich damals keine Sau dafür. Einer vom Sender sagte: "Das ist ein regionales Ereignis. Das interessiert niemanden."

Internet und Social Media beeinflussen die Wetterberichterstattung

Zeitreise. 17 Jahre weiter. Wir haben alle Handys, das Internet ist ein anderes, es gibt Social Media. Ein kleines regionales, allerdings von vielen Handys festgehaltenes und sehr telegenes Ereignis, nämlich ein kurzlebiger F2-Tornado, findet statt. Und plötzlich drehen alle durch. Bis in die USA gehen die Bilder.

Viersen: Augenzeugenvideo zeigt Macht des Tornados
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Jetzt kommt noch das i-Tüpfelchen. Dieselbe Person, die damals den großen Tornado mit immensen Schäden als "regionales Ereignis", als uninteressant wegwischte, machte beratenderweise in einem Sender das jüngste Ereignis groß, weil das die Menschen interessiert. 

Was ich damit sagen will: Die Welt hat sich verändert, weil es das Internet und Smartphones zzgl. der Social-Media-Netzwerke gibt. Sonst hat sich gar nichts verändert. Wetter war, Wetter ist und Wetter wird sein. Es wird auch weiterhin Tornados geben, es wird weiterhin Winter geben, Sommer, Hochwasser, Trockenheit, Hitze, Schnee, Sturm, usw. Wetterereignisse verblassen in einer längeren Zeitreihe

Um den Kreis zu schließen: In meinen Auswertungen über mindestens 500 Jahre Wetter und Witterung in Mitteleuropa ist mir eines klar geworden: All das bisher Erlebte - vom Hitzesommer 2003 über das Pfingsthochwasser 1999 bis hin zur Superwarmphase 2006/07 und zum Sturmwinter 1990: All diese Ereignisse verblassen, wenn man die Zeitreihe von ein paar Jahrzehnten auf ein paar Jahrhunderte erhöht. 

Alles, was zwischen einer extremen Dürre mit europaweiten Waldbränden durch Hitze und Trockenheit bis hin zu fatalen Überschwemmungen und was zwischen jahrelanger Schneelosigkeit bis 2000 Meter Höhe bis hin zu Wintereinbrüchen im Hochsommer liegt, gehört zu unseren Breitengraden wie das Amen in der Kirche. 

Ausblick auf das Sommerwetter 2018 beginnt mit einem Rückblick

Das musste mal gesagt werden ;)! So, kommen wir zum Sommer. Bleiben wir doch gleich bei der Zeitreihe. Die Zeitreihe der Lufttemperatur in Deutschland reicht bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. 

Der kälteste Sommer war 1816 - das Jahr ohne Sommer mit 14,1 Grad; den heißesten Sommer (mit Abstand) erlebten wir 2003 mit 19,7 Grad. (Übrigens: "14er Sommer" gibt es schon ein paar, doch einen "19er Sommer" nur einen. Der zweitheißeste Sommer nach 2003 war mit 18,6 Grad 1757. Man darf jetzt ein bisschen nörgeln und sagen, dass das nicht so präzise ist/war, weil halt... Es folgen 1947 mit 18,5 dann 2015 und 1994 mit je 18,4 und 1983 mit 18,3 Grad.)

Das längst veraltete Mittel der Sommer in Deutschland von 1961-90 lag bei 16,3 Grad, das Mittel von 1988 bis 2017 bei 17,3 Grad. Das heißt, dass mehr als eine Generation überhaupt gar keinen "Sommer wie er früher einmal war" kennt. 

Neben den Temperaturen spielen natürlich auch Sonne und Regen eine Rolle. Sonne ist ja eh ein Muss und Regen ein notwendiges Übel, das doch so manche aus unserer Spaßgesellschaft gar nicht haben wollen; ich zitiere: "Frage doch mal die Menschen am See, wenn sie gerade beim Grillen sind, ob sie Regen haben wollen."... (ohne Worte)

Nur ein richtig kalter Sommer seit 1988

Zwischen 1988 und 2017 gab es eigentlich nur einen richtig kalten Sommer, nämlich den von 1993. Es war der letzte Sommer nach 1987 mit einer 15 vor dem Komma. Und der letzte kühlere Sommer mit einer 16 vor dem Komma war der Sommer 2011. (Alles deutschlandweit gesehen.) 

Was haben der Sommer 1993 und 2011 - um bei diesen beiden Sommer als Beispiel zu bleiben - gemeinsam? Die Antwort lautet: Sommerlich warme und trockene Witterung VOR dem eigentlichen Sommer. In 1993 brach sommerliches Wetter nach dem 13. April voll durch und zog sich bis Ende Mai/Anfang Juni. Dann war Schicht im Schacht. 

In 2011 gab es eine extrem trockene und warme Witterung im gesamten Frühjahr bis Ende Mai. In den letzten Mai-Tagen verfälschte ergiebiger Regen noch ein wenig die Frühjahrs-Statistik. Der Sommer 2011 war sehr wechselhaft, hatte aber dafür hinten raus im August noch eine Rekordhitzewelle zu bieten. Während der Herbst 1993 gar nicht mehr aus dem Quark kam und einen extrem kalten November brachte, wiederholte sich in 2011 die Frühjahrswitterung mit Sonne, Wärme und Rekordtrockenheit bis zum Beginn des Advents. 

Hat sommerliches Wetter im April ein Nachspiel?

Der Sommer-Sonnen- und Wärme- bzw. Hitzeliebhaber wird hier zwischen den Zeilen schon heraus gelesen haben: Das mit dem vielen Sommerwetter seit April könnte ein Nachspiel haben.  Der April 2018 stellte mit 12,3 Grad den alten Rekordhalter (1800 mit 12,0 Grad) in den Schatten. Und der Mai 2018 ist gerade auf dem Weg, den alten Rekordhalter (1889 mit 15,8 Grad) auf den zweiten Platz zu schieben. Es riecht nach einem weiteren Wärmerekord - in Folge!

Solch einen Doppelpack gab es zuletzt im November und Dezember 2015. Den letzten verbleibenden Rekord aus prähistorischen Zeiten hält der August mit 20,7 Grad. In 2003 waren es "nur" 20,6 Grad. Bei einer Sache bin ich mir sicher: Der August-Rekord wird dieses Jahr nicht geknackt!

Blicken wir mal zurück in die Statistik. Da finden wir in über 250 Jahren einige Jahre, in denen April und Mai den Bund der großen Wärme bzw. Hitze geschlossen hatten. Vereinfacht gesagt gab es 3 mögliche Folgen im Sommer (Juni, Juli, August). Platz 1: Kühler (und verregneter) Sommer. Platz 2: Wärme ging bis Juni, dann Totalabsturz, nichts kam mehr nach. Platz 3: Juni und Juli kackten ab, der August kam noch mal hoch.

Extrem warme Witterung von Frühjahr bis Herbstbeginn absolute Ausnahme

Soweit die Regel(n). Wie zu jeder Regel gibt es eine Ausnahme: Und die Ausnahme lautet: Fortführung der extremen Witterung bis in den Herbst = extrem warmes Frühjahr, Hitzesommer, extrem warmer Herbst(beginn). Und da die Ausnahme so selten ist, nennen wir sie beim Namen: Das war 1947.

Wir können statistisch nur bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück und finden keine weiteren Beispiele. Es gab allerdings eine Zeit, in der es (deutlich) wärmer war als in den vergangenen Jahrzehnten: In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erspähen wir eine Litanei an Trockenheit und Wärme bzw. Hitze. Das ist in Chroniken und Aufzeichnungen sehr gut dokumentiert.

Hier finden sich einige Jahre innerhalb weniger Jahrzehnte, in denen es die Kombination trocken-kalter Winter, trocken-warmes Frühjahr, trocken-heißer Sommer und trockener Herbst gab. Das muss wohl eine Zeit gewesen sein, in der es überdurchschnittlich viele Hochdrucklagen geben hat. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts brach diese Wärme übrigens rasch ab und das Gegenteil folgte: Kälte und Nässe mit einem ersten Höhepunkt der Kleinen Eiszeit zu Beginn des 17. Jahrhunderts und einem zweiten Höhepunkt (oder sollen wir besser sagen "Tiefpunkt") zu Beginn des 19. Jahrhunderts. 

Sommer 2018 der kühlste seit 2011?

Legt man all das zugrunde, werden wir irgendwie nicht schlauer, was den Sommer 2018 angeht ;)... Ich möchte damit einfach mal aufzeigen, wie schwierig das ist, Strukturen zu erfassen - egal, ob es sich um Großwetterlagen oder um die Statistik handelt.

Wenn wir die Monate Januar bis Mai statistisch vergleichen, bleiben eigentlich nur zwei Beispiele übrig: 1993 und, nimmt man mal den nass-windig-milden Januar heraus, 1947 = kühler Regensommer (1993) oder trockener Hitzesommer (1947). 

Meine persönliche Einschätzung: Wenn ich mir die Statistik, die Großwetterlagen und die Muster aus den vergangenen Jahren ansehe, dürfte der Sommer 2018 der kühlste seit 2011 werden. Vielleicht sehen wir sogar eine 16 vor dem Komma, wärmstenfalls eine untere 17 - was nichts anderes als Durchschnitt hieße. Und das besprechen wir in den wenigen schriftlichen Kolumnen und in den Videos schon lange. Der Sommer 2018 schaufelt sich meines Erachtens gerade sein Grab mit der aktuell dauerhaft sonnigen und trockenen Witterung. 

Recht gute NOAA-Prognose für die Sommermonate

Das NOAA-Modell nehme ich zur Kenntnis, da es von November bis April eigentlich mal wieder teilweise komplett daneben lag. Der Februar sollte 4 Grad zu warm werden, ebenso der März. Und der April sollte 2 Grad zu kalt ausfallen.

Die aktuellen Berechnungen des NOAA zeigen allerdings einen Trend, den auch ich unterschreiben könnte: Nach einem anfänglich noch trockenen und warmen Juno schafft es der Julei nur noch ins Mittelfeld aller Parameter, bevor der August in Sachen Sommer gänzlich den Geist aufgibt.

Ich vermute, dass wir nach der hochsommerlichen Witterung von Ende Mai/Anfang Juni einen allmählichen Abbau des Hochs im Norden bekommen. Im Mittelmeerraum kehren Ruhe und Hochdruck ein und über Mitteleuropa etabliert sich zumindest phasenweise eine kühlere West- bis Nordwestströmung am Rande des Azorenhochs. (Nein, ein Azorenhoch bringt keine Hitze - im Gegenteil. Wer sich ein Azorenhoch im Sommer wünscht, wünscht sich kühles Nordwestwetter.)

Ein zeitweiliges Kalben des Azorenhochs (Ableger schnürt sich ab und zieht über Deutschland) bringt zumindest kurz mal sonnige und warme bis heiße Phasen.

Mehr Sonne und Wärme im Norden als im Süden von Deutschland

Und auch wenn das Hoch über Nordeuropa in den kommenden Wochen langsam abgebaut wird, wird es immer wieder ein kurzes Aufbäumen geben, so dass - ähnlich wie derzeit - die Küstengebiete Sonne und Wärme haben und die Südhälfte Regen und gedämpftere Temperaturen. Das allerdings bei Weitem nicht mit einer solchen Persistenz wie von Februar bis Mai. (Dieses Grundmuster wird uns schätzungsweise in den kommenden Jahren öfter aufgetischt. Das Warum klären wir wann anders.)

Fassen wir zusammen, meine Sommer-Prognose für 2018 lautet: Der seit Ende der ersten April-Dekade herrschende Dauer(früh)Sommer wird in 10 bis 20 Tagen sein allmähliches Ende finden oder zumindest stark ins Stocken geraten. Der Sommer 2018 wird nicht so dauerhaft kalt und nass wie 1993 - das vermute ich nicht. Aber ein durchgehend sonniger und weit überdurchschnittlich warmer Sommer wird das auch nicht werden. Und glaubt man den wiederholten Berechnungen des CFS-Modells, dann fühlt sich das spätestens zum Ende der Hundstage im letzten Augustdrittel nach tiefstem Herbst an, aber nicht nach Sommer.

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