Warum es von uns keinen Wetterbericht zur WM in Katar gibt
Noch nie hat eine Fußball-WM für so viel Diskussion gesorgt. Die Spiele in Katar sind fast ausverkauft, am 20. November wird angepfiffen. Warum es dazu von uns keinen Wetterbericht geben wird.
Die Fußballweltmeisterschaft war bisher immer ein Ereignis, zu dem wir auch aktuelle Wettermeldungen veröffentlichten. Dieses Jahr tun wir das nicht. Hier erfährst du warum. Ein Kommentar.
Nicht seit Monaten, seit Jahren hagelt es Kritik von allen Seiten zur Fußball-WM in Katar. Die Rede ist von Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen und nicht zuletzt von etlichen Todesfällen. Passiert ist nichts. Hier zeigt sich eindeutig – es geht schon lange nicht mehr um Sport, sondern um Macht und Einfluss.
200 Milliarden Dollar investiert das Emirat, um sich als Fußballmacht zu positionieren. Dabei war das Land eigentlich nicht für eine derart große Veranstaltung ausgelegt. Doch was nicht passend ist, wird passend gemacht.
Sechs neue Stadien werden gebaut, Hotels, Infrastruktur – alles neu. Umgesetzt werden muss das Ganze natürlich schnell und möglichst billig. Die Lösung? Jede Menge billige Gastarbeiter:innen.
Ausbeutung der Arbeiter
Hunderttausende Menschen kommen, meist aus armen Ländern. Sie verschulden sich, um zunächst überhaupt ihre Unterbringung und Essen bezahlen zu können. Als Folge arbeiten sie Monate lang umsonst. Dabei sind Arbeitsbedingungen und -sicherheit eine absolute Katastrophe.
Gegenüber der Menschenrechtsorganisation "Amnesty" berichten Gastarbeiter, wie sie sieben Tage die Woche, jeden Tag im Jahr arbeiten müssen. Wer einmal nicht kommt, bekäme zwei Tage vom Gehalt abgezogen.
Mustafa Qadri, Gründer der Menschenrechtsorganisation "Equidem", sagt im Gespräch mit dem Spiegel: "Arbeiter haben uns erzählt, dass sie zur heißesten Zeit des Tages im Sommer, wo Temperaturen bis zu 45 Grad betragen, schuften mussten. Das Risiko zu erkranken oder gar zu sterben, ist hier sehr hoch."
Im Artikel: Schwach, schlapp, schwindelig: So reagiert unser Körper auf Hitze
Die Todesopfer
Was einen sehr gewichtigen Punkt auf den Plan ruft: Die Todesfälle. Denn die Bauarbeiten dieser WM forderten viele Opfer. Dazu recherchierte das Magazin "The Guardian" - 6500 Menschen sollen demnach verstorben sein.
Ob diese Zahl so stimmt, ist umstritten, denn die Todesursachen sind nicht nur nur auf die WM-Baustellen zurückzuführen. Gleichzeitig fehlen aber auch Angaben aus mehreren Herkunftsländern der Arbeiter.
Für mich ist klar: Die Zahl der Verstorbenen dürfte erheblich höher sein, als Angaben des katarischen WM-Organisationskomitee zufolge (3). Fakt ist: Es gibts keine verlässlichen Informationen zu den Toten. Dass die Fußball-WM unter diesem Gesichtspunkt noch stattfinden darf, ist an Schamlosigkeit nicht zu übertreffen.
Doch damit sind wir noch nicht am Ende der Gründe angelangt, nicht über die WM in Katar zu berichten. Ein weiterer ist die Meinungsfreiheit – oder besser gesagt, deren Nichtvorhandensein.
Keine Meinungs- und Pressefreiheit
Denn erst Ende August ließ Katar mehr als 60 Gastarbeiter festnehmen. Der Grund: Sie haben wegen nicht ausgezahlter Löhne protestiert. Als Mustafa Qadri vor Ort von hungernden Arbeitern berichtete, die sechs Monate lang nicht bezahlt wurden, wird auch er festgenommen, kommt aber wieder frei. Dafür muss er einen Vertrag unterschreiben, der es ihm erschwert, weiter zu recherchieren.
Katar lässt auch Journalist:innen verhaften. So wurden im November 2021 zwei kritische Berichterstatter der Norwegian Broadcasting Corporation (NRK) festgenommen. Die beiden hatten in einer Liveschalte beschrieben, wie sie die Angst in den Augen der Gastarbeiter sehen, wenn sie sie nach einem Interview fragen.
"Es ist unhaltbar, dass die Medien daran gehindert werden, bei einem der größten Sportereignisse der Welt freien und unabhängigen Journalismus zu betreiben", erklärte auch der Generaldirektor von NRK.
Homophobe Äußerungen lassen auf Menschenbild schließen
Ein weiterer Vorfall, der zum Nachdenken anregen sollte, ging erst kürzlich durch alle Medien: Der WM-Botschafter Katars bezeichnete Schwulsein als "geistigen Schaden". Es sei "haram" - also eine Sünde – erzählt er gegenüber einem ZDF-Journalisten. Das Interview wird abgebrochen.
Die Aufzählung ist lang. Es ließe sich noch von etlichen weiteren Vorfällen berichten. Doch in Kürze lässt sich zusammenfassen: Die Todesfälle, die Menschenrechtsverletzungen, die Ausbeutung der Arbeiter und die vermittelten Werte sind Gründe genug für einen Boykott. Vielmehr machen sie es unwürdig, über das Wetter bei einer solchen Veranstaltung zu berichten.
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