Wird der Sommer 2018 ein Rekordsommer oder nicht?
Vieles ist beim Sommerwetter 2018 rekordverdächtig: Sonnenschein, Trockenheit, Hitze. Reicht es aber überhaupt irgendwo in einer Bilanz zu Platz 1? Kai Zorn klärt auf.
Die eigentliche Sommerbilanz ist erst am 1. September, also mit dem Start in den meteorologischen Herbst möglich. Streng genommen heißt es im Behörden-Deutsch: mit Ablauf des 31. Augusts. Nichtsdestotrotz steht uns jetzt eine große Zäsur ins Haus. Der Sommer 2018, der inzwischen fast auf den Tag genau 4,5 Monate währt, bekommt erstmals etwas auf die Mütze - oder sagen wir aufs Cappy bzw. den Sonnenhut.
Medial gesehen ist und war dieser Sommer der mit Abstand größte Sommer überhaupt. Er ist und war Top-Thema. Es war noch nie so heiß, noch nie so trocken, noch nie so sonnig, noch nie so schön und das hat es alles noch nie gegeben. Und wer da nicht alles schon in den letzten Wochen "mitg'schaftelt" hat. Es müssen laute Schlagzeilen sein, extreme Schlagzeilen - und wenn die statistischen Zahlen es nicht hergeben, dann muss es das Gefühlte sein. Manches Mal wünsche ich mir die gute alte Zeit zurück, in dem zu solchen Themen wirkliche Experten etwas gesagt haben, verständlich-sachlich, einordnend.
Das Wetter im Sommer 2018 ist etwas Besonderes
Der Sommer ist und war ein Paukenschlag. Er ist und war wirklich groß, etwas Besonderes - und er scheint ja auch noch nicht zu Ende zu sein. Es ist zweifelsohne eine der ganz großen Jahreszeiten, die nur selten vorkommen. Dieser Sommer ist und war eine Ausnahme der Regel in seiner Verhaltensweise.
Bei meinen Untersuchungen von mehreren Jahrhunderten gibt es nur wenige Ausnahme-Sommer und Ausnahme-Winter, die sich von allem entkoppeln und über allem schweben, die ihre eigenen Gesetze haben. Sie kommen fast wie aus dem Nichts, währen über viele Monate mit ihren Strukturen und verschwinden dann wieder ins Nichts.
Gründe für den sonnigen Sommer nur spekulativ erfassbar
Die Gründe, warum das so ist, lassen sich nur spekulativ und mit Mosaiksteinchen erfassen. Ein Grund, den hatten wir schon besprochen, ist sicherlich die Sonne. Hier sind es einmal die Magnetfelder und einmal ist es der Sonnenzyklus. Wir sind kurz vor dem Sonnenfleckenminimum. In und zu diesen Zeiten gibt es mehr blockierende Wetterlagen als Westwind-Wetterlagen. Ein weiterer Grund sind in diesem Jahr die geringeren Temperatur-Unterschiede in der Nordhemisphäre. Während der tropische Atlantik kühl war wie selten, war es am Nordpolarmeer heiß wie selten. Die klassischen Gegenspieler waren also nicht vorhanden, die Schwung in die Bude bringen.
Drum gab und gibt es diese eingefahrene Wetterlage. Diese brachte aber nicht nur Sonne und Wärme bzw. Hitze. Auf Island war es ein extrem kalter und nasser Sommer mit viel Regen und Schnee. Grönland hat ein Eiswachstum von 550 Gigatonnen Eis.
In Deutschland fallen neue Wetterrekorde
Hierzulande purzelten neue Rekorde. Der Dürresommer 2018, der bis Mitte Juli zwar warm, aber nicht heiß war, drehte in der 2. Juli-Hälfte auf und brachte bis in die erste August-Dekade neue Rekorde in Sachen Hitzetage am Stück. Vor allem in der Mitte und im Norden wurden an manchen Wetterstationen neue Rekorde aufgestellt. Einen neuen Allzeitrekord bei den Temperaturen gab es jedoch nicht. Dieser wurde mit 0,8 Grad verfehlt.
Gefühlt war der Sommer gigantisch. Seit dem "Fupp, ich bin da" mit dem Beginn der zweiten April-Dekade schien gefühlt fast ununterbrochen die Sonne. Es war ständig warm, Regen fiel kaum. Und die Zäsur ab Freitag könnte sich auch nur als ein kleiner Knick entpuppen und nicht als Ende. Dazu gleich mehr.
In der Landwirtschaft gab es verbreitet Dürreschäden, die Flüsse haben wenig Wasser wie selten oder "nie". (Ich setze das "Nie" deshalb in Anführungszeichen, weil Vergleiche zu früher schwierig sind. Der Mensch greift mit seinen Regularien, Monokulturen, Flurbereinigungen etc. zu massiv ins Geschehen ein.) Freibäder, Badeseen und die Küsten hatten einen Zulauf wie lange nicht. Was für ein Sommer. Es ist DER Sommer. Und dass nach dem (gefühlt) kalten und schlechten Sommer 2017, bei dem es hieß, gefühlt, es sei noch nie so kalt gewesen. Naja…
Sommer 2018 wärmer als der Sommer 2003?
Nehmen wir den Sommer 2018 mal ganz trocken - im wahrsten Sinne des Wortes - unter die Lupe und beginnen mal mit der Temperatur. Der Rekordhalter 2003 soll angeblich erreicht oder getoppt worden sein. Der Rekordhalter 2003 thront mit 19,7 Grad über allen Sommern und wird es auch weiter.
Wie können wir den Sommer 2018 denn berechnen, also den meteorologischen Sommer? Der Juni hatte 17,7 Grad, der Juli 20,2 Grad. Der August steht bis ca. 23. August einschließlich bei 21,2 Grad. Wenn man jetzt eine "Milchmädchen-Rechnung" macht und davon ausgeht, dass der Sommer am 23. August zu Ende wäre, müsste man die 3 Monatsmittel zusammen zählen und durch 3 teilen - und: ta-daaa, es kämen 19,7 Grad heraus und damit der Wert von 2003. Und da sich ja alles viel heißer angefühlt hat, haben wir einen neuen Rekord.
Wir können aber in einer anderen Version, die wäre schon mal eine Nummer "richtiger", 30 Tage mal 17,7; 31 Tage mal 20,2 und 23 Tage mal 21,2 Grad nehmen und durch 84 teilen. Dann kommen 19,6 Grad heraus. Ein knapper und guter 2. Platz. Ja, hat sich trotzdem heißer angefühlt.
Wir können in einer weiteren Variante aber die Tage vom 1. Juni bis zum 23. August im direkten Vergleich miteinander nehmen, was korrekt wäre. Und da landen wir irgendwo bei 18,9 bis 19,1 Grad, also um 19 Grad herum.
Tagesmittel werden bis August-Ende deutlich zurückgehen
Aaaaber: Der Sommer ist ja noch nicht zu Ende. Es folgen noch die Tage von Freitag bis Freitag. Und da wird kräftig an der Temperatur-Schraube gedreht. Die Tagesmittel werden deutlich zurückgehen.
Ausgehend von 21,2 Grad August-Mittel bis zum 23. August wird jeder 0,3 Grad-Schritt, der das August-Mittel mindert, das Sommermittel um 0,1 Grad drücken. Das heißt, der Kaltlufteinbruch ab Freitag bestimmt darüber, ob es ein knapper 2. Platz hinter 2003 wird oder ein knapper Platz vor 1947…
Wird 2018 der sonnigste Sommer seit Aufzeichnungsbeginn?
Aber, das wurde mir schon oft gesagt, Temperaturen sind ja nicht wichtig. Regen und Sonne waren in 2018 extrem. Das hat es noch nie gegeben und deshalb das Gefühl. Gehen wir damit mal zu den Parametern Sonne und Regen. Die Sonne hat derzeit ein Plus von 25 Prozent, d. h. wir liegen bei 125 Prozent des Sonnenscheinsolls (1. Juni bis 20. August). Und hier legen wir tatsächlich auf dem Weg in Richtung Rekord. Aber eben nur auf dem Weg…
Es könnte gut sein, dass 2018 hier hinter den bisherigen Rekordhaltern den Weg zum Rekord nicht zu Ende gehen kann. Da verweilen auf Platz 1 1947 mit 132 Prozent und 2003 mit 129 Prozent Sonnenscheinsoll. Es wird knapp werden…
Es gab schon einen trockeneren Sommer
Aber in Sachen Regen. Da war es doch ein Rekord. Das hat es ja alles noch nie gegeben! Oder doch? Wir sind aktuell bei etwa 50 Prozent des Regensolls. Wenn es jetzt bis zum Ende des Monats keinen Tropfen Regen mehr geben würde, wäre es Platz 2. Wie bitte? Das kann doch nicht. Doch, das kann! 1911 hatte lediglich 48 Prozent. Es folgen auf den Plätzen der Dürre- und Hitzesommer 1976 mit 58, 2003 mit 64 und 1947 mit 66 Prozent.
Ja, aber der Sommer begann ja schon früher. Da war es ein Rekord… Nö! Das Frühjahr 2018 hatte 71% des Niederschlagssolls. Vor den Dürresommern 1911 waren es 68, vor 1976 56 (!!) und vor dem Rekordsommer 2003 70 Prozent. Übrigens: 1934 war auch ein Ausnahmesommer. Zwar gab es hier 87 Prozent Regen im Sommer, aber im Frühjahr vorher 59 und im Winter davor sogar nur 49 Prozent!
All diese genannten Sommer hatten übrigens extrem niedrige Niederschlags-Jahressummen. Und wusstet Ihr eigentlich, dass es von 1883 bis 1909 kein Jahr gab, das das Niederschlagssoll, also die 100 Prozent, von denen wir immer ausgehen, erreicht hat?
Zeitraum von April bis Juli einmalig warm
Aber der Zeitraum April bis Juli war doch der mit Abstand wärmste Zeitraum seit Aufzeichnungsbeginn. Ja, stimmt. Das ist und bleibt ein Alleinstellungsmerkmal. Aber wenn man die Sommer 2003, 1947 und 1834, die jeweils auch über 5 Monate gingen, vergleicht, reiht sich 2018 hier ein. Diese Sommer gingen von Mai bis September. Würde der September so weiter machen wie bisher, dann würde 2018 mit 6 Monaten Sommer tatsächlich über allem schweben im Gesamten.
Auf den meteorologischen Sommer 2018 bezogen wird es für die Temperatur mit Sicherheit nicht für Platz Eins reichen, in Sachen Regen auch nicht, denn da kommt ja die Tage noch einiges. In Sachen Sonne könnte es vielleicht knapp werden.
Auch Frühjahr 2011 scheitert auf der Rekordzielgeraden
Das mit der letzten Woche, die in die Statistik grätscht, ist natürlich fies. Eine Woche mehr Trockenheit und Hitze und die Rekordlisten müssten vielleicht umgeschrieben werden, denken sich vielleicht manche. Doch so ist das. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit hatten wir mal so einen ähnlichen Fall - und zwar im meteorologischen Frühjahr 2011.
Hier gab es über viele Monate nur Hochdruck, Wärme und Trockenheit, die schon längst vergessen ist, ebenso wie im Herbst 2011. Und diese Trockenheit ging am vorletzten Frühlingstag zu Ende. An den letzten beiden Mai-Tagen des Jahres 2011 fiel ganz viel Regen, der den Rekord zunichtemachte und 1893 als Rekordhalter thronen lässt.
Lokal wird 2018 aufgrund der Dürre in Erinnerung bleiben
Auch wenn die Einzelparameter teils weit von den Flächenmitteln entfernt sind, handelt es sich lokal natürlich um ein besonderes Ereignis. Bei der Dürre macht es schon einen Unterschied, ob es über viele Wochen bei 28 oder 35 Grad trocken ist. Persönlich bin ich auf die Endauswertung für Bayern gespannt. Da ja medial gerne alles über einen Kamm geschert wird, wird auch gerne vergessen, dass speziell in Bayern einige Sommer vor 2018 liegen werden.
Die größte Besonderheit des Sommers 2018 liegt wohl beim Abstand zu 2003. Das 19. Jahrhundert hatte 1834, das 20. 1947. Das 21. Jahrhundert hatte schon 2003 und jetzt 2018. Wir müssen ins 18. Jahrhundert zurück. Da gab es ein paar solcher Vertreter.
Für viele von uns ist der Sommer der Wahnsinn. Viele waren 1947 nicht dabei, geschweige denn 1834. Aber die meisten waren auch 2003 dabei. Und dieser Sommer war richtig krass, scheint aber schnell vergessen.
Massiver Wetterknick am Wochenende
Schauen wir ganz kurz auf die weitere Entwicklung. Es sah bis vor kurzem danach aus als würde sich in 1947er und 2016er Manier das hochdruckdominierte und damit überdurchschnittlich warme und sonnige Sommerwetter fortsetzen. Dieses Wochenende bringt allerdings bereits einen ersten massiven Knick. Und schon in der nächsten Woche, so munkeln manche Modelle, könnte es dann wieder was werden mit dem nächsten Tief.

Die Berechnungen reichen vom Streifschuss bis zum Volltreffer, von weiterführender Trockenheit bis hin zu viel Regen. Und auch wenn viele Hochs auf den weiterführenden Wetterkarten zu finden sind, so nimmt die Tiefdrucktätigkeit zwischen den Hochs deutlich zu. Hoffen wir für die Natur, dass eines kommt.
In ein paar Wochen ist der Sommer 2018 dann so oder so Geschichte und dann kommt mit Sicherheit ein neuer empfundener "Jahrhundert-Sommer"! ;)
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