So verläuft der Sommer 2015

Veröffentlicht: Mo 01.06.2015 | 11:07 Uhr
So verläuft der Sommer 2015

Manches Mal komme ich mir vor, als lebe ich in verschiedenen Welten. Einmal ist es die so herrlich unperfekte, menschliche Welt und einmal die vermeintlich perfekte Welt, steril und emotionslos - und: Kennen Sie die Welt der "Alleswisser"?

Ab und zu spiele ich abends mit Freunden Tischtennis. Wir treffen uns bei Wind und Wetter in einer alten Traktorgarage und spielen. Ich bin der mit Abstand Jüngste im Bunde (dass ich das auch noch irgendwo sein kann ;) ) und es fliegen die Bälle, ebenso die Sprüche. Das Niveau von uns allen ist ähnlich hoch und recht professionell, so dass die jeweiligen Doppel recht ausgeglichen sind. Es vergeht kaum ein Spielabend, an dem nicht Tränen vor Lachen fließen. Oft wissen wir gar nicht mehr, wie es steht. Das Spiel ist das Ziel, der Spaß der Sieg.

Dann wechsle ich die Welt und gehe an den PC, befinde mich im Internet und schaue ab und zu in die Foren für Wetterfrösche, die sich "Wetterbegeisterte" nennen. Diese Begeisterung ist aber immer nur da, wenn das Wetter so ist, wie es den eigenen Vorlieben entspricht. Ist das nicht der Fall, heißt es: "Das macht kein Spaß." Ich persönlich werde das nie nachempfinden können. Und das sind dann diejenigen, die mit erhobenem Zeigefinger mahnen und klugscheißen, dass man eine Aussage trifft, die über das "sichere Vielleicht" der kommenden 48 Stunden hinausgeht.

Die Freunde beim Tischtennis sind teilweise schon lange in Rente und arbeiten mehr als manche Kollegen in meinem Alter, weil es ihnen Spaß macht und Freude bereitet. Und natürlich reden sie über das Wetter, hier auf dem Land. Wenn es stürmt und schneit oder die Sonne scheint, es regnet oder neblig ist, höre ich stets: "Ist doch schön. Das gehört dazu." Aber es geht nicht um das Wetter der kommenden Stunden oder 2 Tage, das einem mehr oder weniger langweilig bis stinklangweilig vorauswendiggelernt vor nichtssagenden Strömungsfilmen vorgepipst wird, sondern um das Wetter, über das man einfach spricht.

Und damit wären wir bei dieser Kolumne. Der Gartenzaun der Wetterunterhaltung - oder die letzte "Traktorgarage" abseits der in alles schablonierten, vorzensierten und steril-emotionslosen (Schein)Welt. Öffnen wir das Tor und stellen uns an den Gartenzaun und philosophieren wir über das Wetter, den Sommer...

Am Samstag hatten wir uns schon über die kommende Wärme und Hitze unterhalten sowie über die Risiken und Nebenwirkungen eines vorzeitigen Hochsommerbeginns. Freunde, was allein schon nach dem Erscheinen der Kolumne in den Wetterkarten wieder alles los war... Von einer Endloshitzewelle bis Mitte Juni über ein moderates Hitzehüsterchen nur im Süden mit anschließender Abkühlung bis hin zu einem Absturz in 10 Tagen in Richtung Schafskälte mit Schauern, Wind, Kühle und Schnee im Hochgebirge. Und jeder dieser Modell-Läufe und jedes einzelne Modell wirkte dabei so überzeugend und stimmig. Der Alleswisser an sich schmettert in die Runde: "Wetter kann man nur für 3 Tage im Voraus sagen." Krawehl, krawehl und nachts wird es kälter als draußen!

Was die kommende Hitzewelle angeht: Sie kommt, sie kommt mit Macht und sie scheint auch einige Tage bleiben zu wollen. Das war in den vergangenen Tagen keinesfalls sicher, ob sie bleibt und ob sie es überhaupt bis in den Norden schafft. Die aktuellen Berechnungen zeigen ein Wetter von Donnerstag bis Sonntag: siehe Grafik! Hier bedarf es keiner weiteren Erklärung ;).
Die Hitzewelle von Anfang Juni, 1. Juni 2015
Diese Aussichten samt dieser Luftmasse (trocken-heiß) verleiteten, einmal auf die Höchst-Temperaturen-Rekorde der ersten Juni-Dekade zu schauen. Was hier auffällt: Die gesamte Südhälfte stellte im vergangenen Jahr neue Hitze-Rekorde auf. Wir erinnern uns: Danach war gefühlt Schluss mit dem Sommer - vom Norden im Juli einmal abgesehen. Das Jahr 2014 sticht dort mit bis zu 39,4 Grad in Karlsruhe hervor. Aber auch Regensburg, Bamberg, Mannheim, Öhringen und Freiburg bringen es auf rund 36 Grad und selbst Garmisch auf 33 Grad. Kiel ist mit 34 Grad am Start und List auf Sylt mit 29 Grad. 

Hinter den Rekorden verbergen sich größtenteils die Jahre 2014 und 1996. Das 1996er Sommer war der letzte minimal zu kühle Sommer mit einer Abweichung von minus 0,1 Grad im Vergleich zum langjährigen (früheren) Mittel. Des weiteren sind da noch vereinzelt die Jahre 1994, 1982, 1979, 1947 und 1915.

Betrachten wir ausschließlich die Statistik, dann können wir sagen: Eine zu frühe Hitzewelle im Juni mit zu viel Hochsommerwetter macht den Hochsommer als solches zunichte. Das ist erst einmal die "Regel-Aussage". Da Ausnahmen die Regel bestätigen kommen die Jahre 1994 und 1982 ins Spiel. Diese Sommer brachten in ihrer jeweiligen Zeitepoche "große Sommer". Der 1982er Sommer war damals ein großer, vor dem noch größeren Sommer 1983. 1983 war, für damalige Verhältnisse, der Vorgänger von 2003. Übrigens würde der 1982er Sommer (damals "groß") heute als normal bzw. "geht so" durchgehen. Erwähnenswert wäre der 1994er Sommer noch. Er gehört in die Reihe der (ganz) großen Sommer und ist auch ein Vorgänger von 2003.

Die erste Hitzewelle des Junis 1994 war praktisch ein erster Vorgeschmack auf das, was kommen sollte. Der Juli 1994 brachte damals einen neuen Hitzerekord, der vom Juli 2006 noch mal getoppt werden sollte. (Juli 1982: 18,9 Grad; 1983: 20,4; 1994: 21,3 und Juli 2006: 22,0 Grad)

Die Einschätzung über dem Sommer 2015 ist damit, anders als im vergangenen Jahr, gar nicht soooo einfach. Betrachten wir uns jedoch die Langfrist-Trends des CFS sieht das Ganze wieder eindeutiger aus. Und das käme auch den Analysen von Anfang Januar und Anfang März gleich. Anfang März machten wir den Winterrückblick und schauten, was das denn für das Frühjahr und vor allem den Sommer heißen könnte. Und auch hier war klar: Die Richtung geht größtenteils in Richtung durchwachsen und im Kern nicht allzu heiß mit der Ausnahme: großer Sommer möglich.

Ein Kollege von mir, dem das Wetter auch in die Wiege gelegt wurde, beantwortete mir die Frage was er vom Sommer 2015 halten würde: "Der Sommer findet im Juni statt."

Die Wetterlagen des Sommers 2015 gestalten sich, grob gesagt, so: Der Juni wartet jetzt erst einmal mit Sonne und Hitze auf. Diese verläuft natürlich nicht open end. Es könnte jedoch einer der längsten und intensivsten Sonnen- UND Wärmeblöcke des Sommers werden.

Um den Beginn der 2. Juni-Dekade wird an einer (moderaten) Schafskälte gebastelt. Die Luftmassentemperaturen in 1500 Meter Höhe gingen dann von 5 bis 10 Grad zu warm auf Durchschnitt bzw. kurz leicht unterdurchschnittlich zurück. Dazu darf ich betonen, dass die kommende Hitzewelle im Süden wesentlich ausgeprägter und von der Dauer her bedeutend länger ausfallen wird als im Norden.

Die Langfristkarten des CFS sehen - übrigens schon seit dem Winter - zeigen von ca. Ende Juni bis Juli und Anfang August ein Gependel zwischen ausgeprägten Azorenhoch-Lagen mit kühlen Luftmassen von Nordsee und Atlantik. Mal sind diese Luftmassen dank durchziehender Tiefs feucht, mal sind die am Rande eines Ablegers des Azorenhochs trocken und durch die Sonneneinstrahlung "mäßig warm". Unterbrochen werden diese Lagen durch Hochs, die über Mitteleuropa hinweg nach Osteuropa ziehen. Am Westrand dieser eigenständigen Hochs kann damit schubweise Mittelmeerluft zu uns kommen, ehe erneut atlantische Luftmassen nachströmen.

Der Witterungscharakter fiele dann, ähnlich wie schon am Samstag angedeutet, ca. ein Drittel, ein Drittel, ein Drittel aus. Ein Drittel kühl, ein Drittel warm bis heiß, ein Drittel dazwischen. Diese Episode des Sommers mit einer Dauer von Pi mal Daumen 6 bis 8 Wochen, wäre dann das, was die Sommer früher einmal waren, nämlich wechselhaft.

Die kühlen Phasen brächten uns eine Mischung aus Wolken, Wind und Sonnenschein. Dazu gäbe es Regen - mal in der Form von Schauern, mal als Landregen. Die Höchstwerte lägen dann grob bei 15 bis 25 Grad (Nordsee - Oberrhein). In der "Hochsaison" dieser Witterungsphasen (schätzungsweise Anfang/Mitte Juli) kann diese Wetterlage auch mal eine größere Dominanz haben.
Die kühlen Wetterlagen des Sommers, 1. Juni 2015
Die sehr warmen bis heißen Phasen würden kurze sonnige Episoden bringen - meist nur für ein paar Tage mit trockenem Wetter und Höchstwerten von grob 25 bis 35 Grad. Allerdings sehe ich die Phasen von nachhaltiger Hitze mit über 30 Grad angesichts dieser Aussichten eher als Ausnahme. So viele Hitzetage am Stück wird es wohl nicht geben. Die "Hochsaison" dieser Wetterlage wird wohl erst ab Ende Juli dann wieder häufiger kommen, vor allem aber im August hinten raus, wenn das Gesamtflair eher schon wieder einen spätsommerlichen Charakter bekommt (kürzer werdende Tage).
Die warm und heißen Wetterlagen des Sommers, 1. Juni 2015
Die Wetterlage in den Phasen zwischen der kühlen Seeluft und der trocken-heißen Mittelmeerluft sind mal mehr, mal weniger gewitteranfällig. Der Temperatur-Rahmen liegt hier grob bei 20 bis 30 Grad und gestaltet sich oft auch schwül und/oder durchwachsen.

Wir können damit festhalten: Der Juni wird, vor allem zu Beginn, überdurchschnittlich ausfallen. Dann kommt ein "Abstieg auf Raten" mit Tiefpunkt im Juli, ehe es schrittweise wieder rauf geht und im August versöhnlich wird. Statistisch und wetterlagenmäßig gesehen spricht das sonnige und vielerorts sehr trockene Frühjahr dafür.

Apropos trocken - die sonnenhungrige und was kostet die Welt-Spaßgesellschaft kann diese Frage sicherlich nicht verstehen ;) : Ich werde von allen Seiten und fast allerorten aus Deutschland gefragt: Wann kommt denn endlich mal (nachhaltiger) Regen. Die Antwort lautet (leider für die Natur): In den nächsten zwei Wochen sind keine nachhaltigen und flächendeckenden Regenfälle in Sicht!

Schönen Sommer :)!

(Alle Bilder/Grafiken: Kai Zorn)

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