"Sterbeprozess" der vier letzten Gletscher Deutschlands verzögert

- Bettina Harter - Quelle: dpa
"Sterbeprozess" der vier letzten Gletscher Deutschlands verzögert
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Geröll und Schneereste liegen auf dem Blankeis des Nördlichen Schneeferners auf dem Zugspitzplatt. Die letzten Gletscher auf deutschen Boden gehören auf die Rote Liste.

Wegen des Klimawandels haben die vier verbliebenen Gletscher Deutschlands Prognosen zufolge nur noch wenige Jahre. Für das letzte Eis bei Berchtesgaden gibt es immerhin eine halbwegs gute Nachricht.

Nur noch vier Gletscher gibt es in Deutschland. Die Eisflächen an der Zugspitze und im Watzmanngebiet haben den Sommer teils besser überstanden als befürchtet. Der Status als Gletscher bleibt also vorerst für die vier letzten Gletscher hierzulande erhalten. Eine Rettung ist trotzdem nicht möglich. Laut Prognosen der Forscher:innen von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) wird das letzte vormals "ewige" Eis in etwa 15 Jahren verschwunden sein. 

Warum Gletscher für unsere Umwelt so wichtig sind, zeigen wir dir in diesem Video: 

Gletscher in Deutschland haben im Sommer nur wenig Eis verloren

Besonders gut war der Sommer für den Watzmann- und der Blaueisgletscher bei Berchtesgaden. Sie haben nach neuen Messungen der BAdW-Wissenschaftler:innen vergleichsweise wenig Fläche verloren.

Wie es mit dem Eisvolumen aussieht, werde noch ausgewertet. Die Eisdecken-Messung ist komplex. "Wir sind dran, die Daten auszuwerten - und es sieht so aus, dass wir in Berchtesgaden für die dortigen Gletscher gar keinen so schlechten Sommer hatten", sagte der Glaziologe Christoph Mayer von der BAdW, die für die Staatsregierung alle paar Jahre einen Gletscherbericht erstellt. "Wir hatten in Berchtesgaden am Ende der Saison noch Schnee auf den Gletschern, teilweise zumindest." Schnee reflektiert das Sonnenlicht und schützt damit das Eis. Auch das kalte Frühjahr mit spätem Schneefall habe wahrscheinlich dazu beigetragen, dass sich das Abschmelzen verlangst habe.

Eisfläche des Höllentalferners und des Nördlichen Schneeferners deutlich geschrumpft

Schlechter sieht es in diesem Jahr allerdings an Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, aus. "Am Höllentalferner und am Nördlichen Schneeferner sind die Flächen deutlich kleiner geworden", sagt Mayer. Vor allem der Nördliche Schneeferner habe gelitten. Der Grund dafür ist folgender: Während der Höllentalferner wie auch die Berchtesgadener Gletscher eher schattig liegen, sei er der Sonne stark ausgesetzt.

Nach der aktuellen Prognose hat der Nördliche Schneeferner noch etwa sieben Jahre vor sich, eher er seinen Gletscherstatus verliert.

Südlichen Schneeferner seit letztem Jahr kein Gletscher mehr

Letztes Jahr hatten die Expert:innen dem Südlichen Schneeferner den Status als bis dahin fünftem deutschen Gletscher aberkannt. Mit rund eineinhalb Hektar war er noch halb so groß wie vier Jahre zuvor. Außerdem fließt er nicht mehr. Doch das Fließen ist ein Kriterium für die Einordnung als Gletscher.

Die vier letzten Gletscher Deutschlands sind auf der Karte dargestellt: 

Verortung von Deutschlands Gletschern (Quelle: dpa).

Klimawandel: Kälteeinbrüche immer seltener

Das immer schnellere Verschwinden des Eises liegt unter anderem daran, dass Niederschläge als Schnee zunehmend fehlen. Dies ist ein wesentlicher Faktor neben der allgemeinen Erwärmung. "Je weniger Schnee wir haben, desto weniger wird ein Gletscher geschützt", sagt Laura Schmidt, Wissenschaftskommunikatorin der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus an der Zugspitze. Dieses Jahr habe der warme September und Oktober - die wärmsten seit Beginn der Messungen an der Zugspitze - dem Eis zugesetzt. "Dem nördlichen Schneeferner geht es schlecht." 

Früher legten Kälteeinbrüche immerhin ein paar Tage lange auch im Sommer eine schützende Schneedecke auf das Eis. Doch das passiert aufgrund des Klimawandels immer seltener. Die Gletscherschmelze wird durch über 0 Grad warmen Regen, hohe Luftfeuchtigkeit und lange Sonnenperioden beschleunigt.

Übrigens: Die Schweiz meldete eine dramatische Beschleunigung der Gletscherschmelze in den Alpen, wie in diesem Video zu sehen ist.

Schweiz: Gletscherschmelze - Zehn Prozent in nur zwei Jahren verschwunden

Bis 2035: Höllentalferner wird wohl am längsten überleben

Die beiden größten deutschen Gletscher "Höllentalferner" und "Nördlicher Schneeferner" waren bereits bei der letzten umfassenden Messung 2018 mit jeweils etwas über 16 Hektar nur noch knapp halb so groß wie das Oktoberfestgelände. Die beiden Gletscher im Berchtesgadener Land waren damals um die fünf Hektar groß. Die Eisreserven dort reichen laut Mayer vielleicht noch für zwei, drei Jahre - je nach dem Verlauf der nächsten Sommer auch etwas länger. Der Sommer 2022 mit wochenlangem Sonnenschein war den Wissenschaftler:innen zufolge "verheerend": Die Schmelze war demnach in den ganzen Alpen um rund 50 Prozent stärker als in einem Durchschnittsjahr.

Der Höllentalferner liegt in einer tiefen Mulde und wird nicht zuletzt aufgrund seiner Lage regelmäßig zumindest im oberen Teil durch Lawinen gespeist. Die Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass er am längsten überleben wird - vielleicht bis 2035, lautet die vorsichtige Prognose des Glaziologen Mayer. Dann wird Deutschland wohl gletscherfrei sein.  

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