Angst und Alltag in Zeiten von Corona in Italien

- Quelle: dpa
Coronavirus: So lange überlebt es auf Oberflächen und in der Luft
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Ausgangssperren und leere Städte: Die Corona-Pandemie hat Italien in einer Schärfe gepackt, die Deutschland womöglich noch bevorsteht. Vier Menschen erzählen, wie die Situation ihr Leben verändert.

Geschlossene Schulen und abgesagte Sportevents - solche Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat Italien schon Anfang März ergriffen. Zwei Wochen später ist das Land in einem viel schärferen Abwehrmodus. Ausgangssperren und verrammelte Geschäfte werfen den Alltag um. Was die 60 Millionen Menschen von Bozen bis Bari erleben, könnte vielleicht auch Deutschland bevorstehen. Es gibt Sorgen und Angst, aber auch positive Energie.

Manche machen sich tiefergehende Gedanken. Vier Menschen, vier Schicksale aus einem Land im Ausnahmezustand: 

Roman, 36, Bauer auf dem Ferienbauernhof "Unterpfaffstall" in Südtirol: 

"Das Geschäft für dieses Jahr ist gelaufen"

Roman Goss arbeitet im Stall. Um ihn herum Kühe. Draußen das Bergpanorama. Das Virus verändert das Leben auch dort, wo Menschen in der Natur leben. Nicht nur dort, wo viele nebeneinander leben. Goss hat einen Ferienbauernhof am Ritten unweit der österreichischen Grenze. 85 Prozent seiner Gäste kommen aus Deutschland - besser gesagt: kamen. "Für März wurden alle Buchungen storniert. Auch die zwei Osterferienwochen sind verloren. Das Geschäft für dieses Jahr ist gelaufen", sagt er am Telefon. 

Letzten Gäste aus Deutschland und der Schweiz

Er hat vier Ferienwohnungen und einen Milchviehbetrieb. Goss klingt nicht wütend, nicht resigniert. "Ich bin kein Pessimist, aber dass das irgendwann zu solchen Szenarien kommt, habe ich schon gedacht. Dass das mit den Ressourcen nicht so weiter geht, ist klar." Er meint, über den tieferen Sinn der Krise zu sprechen sei eine "schwierige Situation". Aber: "Man kann ja nicht sagen, dass am Ende des Jahres immer ein Plus kommen muss. Irgendwann ist da auch mal ein Minus." 

Die letzten zwei Gäste sind noch da: aus der Schweiz und Deutschland, die dürfen ihren Urlaub noch beenden. "Sie fühlen sich hier in der Natur sicherer als zuhause in der Stadt." Seine tägliche Arbeit auf dem Hof mit den Tieren gehe natürlich weiter wie vorher. Seine drei Kinder im Alter von eins, drei und fünf würden zwar gerne in den Kindergarten gehen. "Aber hier haben sie auch genug Platz zum Spielen. Das ist kein Problem. Unsere Familie lebt immer zusammen, daher fällt uns auch jetzt nicht das Dach auf den Kopf."

Maria Rita, 66, Virologin und Professorin in Mailand 

"Ich verbringe meine ganze Zeit im Labor und im Büro"

Maria Rita Gismondo hat den Corona-Ausbruch vom ersten Tag an miterlebt: "Es war der 20. Februar. Da gab es hier den ersten Alarm wegen der Untersuchung von Speichelproben", erzählt die Virologin und Labor-Direktorin des Mailänder Krankenhauses Luigi Sacco. Der erste entdeckte Virus-Fall kam aus der Region Lombardei, aus Codogno. Die reiche norditalienische Region ist bis heute die am schlimmsten getroffene Zone. 

"Seitdem habe ich mein Privatleben fast vergessen. Ich verbringe meine ganze Zeit im Labor und im Büro", sagt die 66-jährige Biomedizinerin. Sie hat zwei erwachsende Kinder und einen Partner - wie finden die das? "Ach!", sie lacht am Telefon. Ihre Familie weiß vermutlich, dass sie für ihre Arbeit brennt. Sie lehrt als Professorin an der Uni in Mailand. Die Frau mit der ernsten Stimme ist bei TV-Interviews vor ihrem Schreibtisch zu sehen. Tausende Proben seien seit Februar von ihrem Team untersucht worden. "Wir haben hier eine harte Zeit, aber es gibt auch einen tollen Zusammenhalt und viele schöne Momente." Die Alltagseinkäufe machten ihr Partner und eines der Kinder, das noch zu Hause lebt. 

"Diese Krise heute ist nicht die letzte ihrer Art."

Maria Rita Gismondo ist krisenerfahren, sie war wegen Ebola in Afrika. Wenn man sie nach Ängsten in der Corona-Pandemie fragt, kommt ihr als erstes das Wort "Panik" in den Sinn. Sollte sich die Situation länger zuspitzen, könnten die Menschen panisch werden: "Und Panik wäre ein Problem, dann könnte es noch schlimmer werden." Auch der Blick in die fernere Zukunft, nach dem Ende der Welle, sei nicht ohne: "In Zeiten der Globalisierung müssen wir mit weiteren neuen Viren rechnen. Diese Krise heute ist nicht die letzte ihrer Art."

Mirko, 37, Wohnungsvermieter in Rom

"Ich habe keine Angst um mich"

Um Mirko Cipriani mit seinem coolen Lächeln aus dem Tritt zu bringen, braucht es eine ganze Menge. Die Corona-Krise hat es fast geschafft. Aber nur fast. "Ich habe keine Angst um mich", sagt der 37-Jährige, der sein Geld mit dem Vermieten von Ferienwohnungen in Rom verdient. "Ich habe Angst um meine Großeltern. Sie gehören zu der Gruppe, die besonders in Gefahr ist. Es sterben doch hauptsächlich die Älteren."

"Mein Tag besteht aus Fernsehen, Essen, wieder Fernsehen, wieder Essen"

Das Treffen mit Mirko findet bei frühlingshaften Temperaturen in Touristenviertel Trastevere statt. Draußen an einem Brunnen. Ohne sich die Hand zu geben. "Bis vor wenigen Tagen habe ich die Appelle der Regierung, wenig auszugehen, nicht ernst genommen", erzählt der Lederjacken-Träger. Seit dieser Woche sei alles anders. "Mit meinen Freunden treffe ich mich gar nicht mehr, das habe ich sonst immer gemacht." Ins Sportstudio könne er nicht mehr. Friseure sind dicht, Buchläden, Bars. "Mein Tag besteht aus Fernsehen, Essen, wieder Fernsehen, wieder Essen", sagt er. 

Seit einiger Zeit mietet er Apartments an und vermietet sie teurer an Urlauber weiter. Per Internet, an Gäste aus aller Welt. "Das klappte gut, doch jetzt ist alles leer." Für die nächsten Monate häuften sich Stornierungen. "Dabei laufen alle meine Kosten weiter, besonders die Mieten." Und wie lange kann er ohne Einnahmen durchhalten? "Zwei Monate, vielleicht drei." Daran mag er noch nicht denken. Er setzt seine Sonnenbrille auf und geht. Ohne Handschlag.   

Marco, 44, Bürgermeister in Kampanien 

"Eine unwirkliche Situation"

Diesen Anblick kennt Marco Marandino so nicht: Die Piazza in Sant'Angelo dei Lombardi östlich von Neapel ist menschenleer. "Die Plätze sind verwaist, wir erleben eine unwirkliche Situation", sagt er. In dem Ort mit 4500 Einwohnern gebe es bisher keinen erkannten Infizierten. Aber auch da, wo das Virus noch nicht aufgespürt ist, sind Angst und Unsicherheit zum Greifen nah. Für den ärmeren Süden Italiens mit seinen schlechteren Krankenhäusern wäre ein Ausbruch, wie ihn der reiche Norden erlebt, fatal. 

"Wir sind an Verzicht und Opfer gewöhnt"

"In meiner Gemeinde hat sich das tägliche Leben komplett auf den Kopf gestellt." Er hat gelesen, dass nach den ersten Sperren im Norden viele nach Süden "geflüchtet" seien. "Wir haben hier eine kleine Zahl, vielleicht etwa 20", sagt er. Jetzt ist auch Sant'Angelo Sperrzone, wie ganz Italien. Er selbst geht zum Arbeiten noch ins Büro, erzählt der Vater zweier Kinder. Bei Sitzungen würden sie den Schutzabstand von einem Meter einhalten, versichert er. 

Der Ort hat schon Schlimmes erlebt. "Unsere Gemeinschaft kennt entsetzliche Tragödien, wie das Erdbeben von 1980. Wir sind an Verzicht und Opfer gewöhnt." Damals kamen in Süditalien fast 3000 Menschen um. Jetzt sind es mehr als 1000 Tote im ganzen Land. Ihn beunruhigt eher die Unsicherheit über die Dauer der Krise. "Selbst wenn die Auswirkungen im Moment begrenzt sind, könnten die wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Folgen für das Leben der Menschen verheerend sein. Es gibt keine Gewissheit und keinen Halt."

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