Esel, Enten, Möhren, Winter und der böse Wolf
Veröffentlicht: Mi 12.11.2014 | 00:00 UhrOder ist es einfach zu früh, den Winter Mitte November abzuhaken und ad acta zu legen? Ist es wirklich schon Mitte November? Beim Blick auf die Statistik könnte es auch Ende September oder Anfang Oktober sein. Aktuell schwebt der November immer noch in Sphären, die seinesgleichen sucht. Das aktuelle Monatsmittel bis einschließlich zum 11. November beträgt satte 8,5 Grad. Der durchschnittliche Oktober (1961-90) an sich liegt bei gerade mal 9 Grad.
Wäre der November schon zu Ende, so würde er 1,1 Grad oberhalb der historischen Rekorde aus den Jahren 1963 und 2009 liegen, die mit jeweils 7,4 Grad zu Buche schlagen. Streng genommen ist es das Jahr 2009 mit 7,38 Grad.
Eiert also der November weiter so mild vor sich her, so könnten wir vor einem neuen Allzeitrekord in Sachen Wärme stehen! Es ist aber nicht nur der November-Rekord in Gefahr. Wann gibt es in dieser unseren Klimaepoche mal keinen Wärmerekord? Nein, es ist das ganze Jahr im Visier! Mit gerundeten 9,9 Grad schlagen die Jahre 2000 und 2007 zu; 2000: 9,87 Grad und 2007: 9,86 Grad.
Würden die Monate November und Dezember, rein theoretisch, "durchschnittlich" ausfallen, so wäre der Rekord mit 9,9x, aufgerundet 10,0 Grad perfekt. Da der November mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr mild abschließen wird, ist ein neuer Jahresrekord so gut wie sicher. Das dann aber nicht mit ein paar Hundertstel Grad, sondern gleich mit gut 2 Zehnteln!
Sollte jedoch der Dezember mit einem Wolfswinter aus dem sibirischen Gebüsch daher kommen, könnte das Ganze noch kippen. Derzeit sieht es aber eher so aus, als würde es weiter am Ententeich in der milden Sonne schnattern - nicht aber durch Kälte...!
Stellen wir uns eine andere Frage: Können wir Mitte November einen Winter schon als "abgehakt" bezeichnen? Das wäre so, als würden wir Mitte Mai sagen: Den Sommer kannste knicken! Ja, kann man und nein, kann man nicht. Es kommt ganz darauf an. In diesem Jahr konnte man tatsächlich den Hochsommer "knicken". Es war ziemlich sicher, dass der August ins Wasser fällt. Aber in manchen Jahren kann man es eben nicht. Erinnern wir uns an 2013. Da waren viele, ich schließe mich ein, auf dem Trip, dass der (Hoch)Sommer nicht allzu dolle wird und dann kam zur Siebenschläferzeit alles anders...
Was seinerzeit vor allem kam: Der Beginn einer neuen Wärme-Epoche, die noch immer anhält, einer Epoche mit vielen ähnlichen Wetterlagen, die der Alpensüdseite eine Flut nach der anderen beschwert und uns eine Föhnlage nach der anderen. Nur hält nichts ewig. Die Frage lautet also: Wie lange hält diese Wärmeepoche noch...?
Dieses Argument der Wärmeepoche ist zum Beispiel ein sehr wichtiges Argument für den kommenden Winter. Im Umfeld von Wärmeepochen ist ein kalter oder gar strenger Winter schwer möglich. Auch die Statistik sagt, dass ein Supermildwinter selten allein kommt. Andere Argumente sprechen hingegen tendenziell eher für einen kalten Winter. Wenn man die ganz vielen Faktoren zusammenträgt, so ergibt das ein Patt. Kaltwinterfans werden ihre Argumente finden, Mildwinterfans werden ihre Argumente finden. Das möchte ich hier nicht weiter aus- und aufführen - im Gegenteil.
Kommen wir noch einmal auf die "Epoche" zu sprechen. Die letzte Wärmeepoche hatten wir von Mitte Juni 2006 bis Anfang September 2008. Hier fiel ein Rekord nach dem anderen. Und wäre die Zeit von Mitte 2006 bis Mitte 2007 zufällig ein ganzes Jahr gewesen, dann wäre das Jahr 2014 dagegen richtig kalt. Das war schon eine ganz fette Hausnummer in Sachen Wärme. Anschließend erfolgte eine Abkühlung mit dem Höhepunkt Dezember 2010 sowie ein paar "Nachhustern" wie Februar 2012 und März 2013. Dann war Schluss.
Manchmal ist es so, dass eine Epoche mit einem Paukenschlag zu Ende geht. Könnte das vielleicht sogar der November 2014 sein? Was kommt danach? Geht es danach in eine andere Richtung und wenn ja, wie stark oder geht es dann einfach auf einem weniger extremen, aber weiter milden Niveau weiter, absteigenderweise?
Momenten tendiere ich eher zu letzterem. Einen (deutlich zu) kalten Winter halte ich für sehr unwahrscheinlich, nicht aber den langsamen Abstieg in die "Normalität" und ein mögliches Einleiten einer eher kühleren Periode, die dann am Ende des eigentlichen Winters beginnt...

Die momentane "Aktenlage" zeigt: Noch bleibt alles so wie es ist. Die Luftmassen bei uns kommen aus Süd bis Südwest und sind entsprechend mild. Pi mal Daumen, wir sprachen im Video darüber, wird sich daran bis wahrscheinlich 25. November wenig ändern. Die über uns liegenden Luftmassen sind im Schnitt 2 bis 10 Grad zu warm. Erst um den 25. November herum gibt es nennenswerte Signale, die mal deutlich unter das langjährige Mittel gehen. Und diese Signale zeigen einen markanten Kaltluftvorstoß aus Ost bis Nordost mit einer Luftmasse, die rund 10 Grad zu kalt wäre.
Das sind aber nur ganz, ganz wenige... Und, das muss man dazu sagen, die Ausreißer nach oben liegen dann durchweg 5 Grad unterhalb des Temperatur-Niveaus von jetzt: Liegen wir aktuell bei gut 10 Grad in 1500 Meter Höhe, so sind es Ende November wärmstenfalls 5 Grad, durchschnittlich null und in Ausreißergilden minus 10 Grad und weniger.

Fassen wir bis hierher zusammen: Die extrem milde Wetterlage geht mittelfristig langsam zu Ende und damit auch die Süd- bis Südwestströmung. Die enormen Regenfälle über West- und Südeuropa sind damit aller Voraussicht nach dann vorbei und die Menschen hier können beginnen aufzuatmen. Nach den derzeitigen Trends baut sich dann ein Hoch über Südwesteuropa auf, so dass es in den bis dato mit Regen er- und getränkten Gebieten trocken und sonnig-mild sein wird.
Dümmlicherdings ist nur ein solches Hoch zusammen mit dem Aufbau eines Islandtiefs der Motor einer milden Westlage bei uns, die vieles kann, nur eben keinen (Flachland)Winter. Und derzeit verdichten sich genau diese Anzeichen. Die Kaltluftausbrüche in den USA, analog zum vergangenen Winter, sehe ich momentan nicht so kritisch. In den einzelnen Berechnungen für Ende November werden eigentlich relativ wenige Läufe mit einem starken Kaltluftausbruch über dem westlichen Nordatlantik berechnet. Diese wenigen Läufe werden jedoch so intensiv berechnet, dass sie die gemittelte Großwetterlage so stark beeinflussen, dass das ganze Bild verzerrt wird.

Eigentlich wird sogar die größte Kälte direkt "über uns" berechnet. Das wäre an sich eine gute Voraussetzung für einen möglichen Wintereinbruch bei uns - und damit wären das wesentlich bessere Voraussetzungen als im vergangenen Jahr! Nein, es gibt ein anderes Problem, das gegen Winterwetter bei uns spricht: Die Kaltluft flutscht in den meisten Fällen an uns vorbei. Entweder gleitet sie schon über den nördlichen Nordeuropa nach Osten weg, oder aber - mildfreundlich - Richtung Atlantik, um hier ein Tief anzufachen, dass uns dann wieder auf die warme Seite des Tiefs bringt. Letzteres könnte dann wieder da münden, was für einen Mildwinter spricht, nämlich für einen lebhaften Atlantik mit Westwind und vielen Fronten, die zumindest dem Bergland immer wieder und dem Flachland ab und zu (nassen) Schnee bringen würden.
Den Winter möchte ich beileibe nicht jetzt schon abschreiben. Wichtig werden allerdings die kommenden Wochen von Ende November bis Mitte Dezember. Das ist so die "Siebenschläferzeit" des Winters. Ändert sich hier die Großwetterlage, so hat das für einen längeren Zeitraum Bestand. Lebt der Atlantik auf, so gibt es einen milden West-Wind-Winter. Übernehmen die Hochs das Kommando und weiten sich diese nach Westen aus und es entsteht eine Blockadesituation, dann sähe es eher nach einem kälteren Winter aus. Wer weiß, vielleicht gibt es sogar eine Mischform. Letzteres sähe übrigens das Langfristmodell CFS.
Mein Kollege Bernd Madlener ist derzeit krank - an dieser Stelle im Namen von uns allen gute Besserung! -, drum wird es die Tage von mir einen 15 Tage-Trend geben. Hierbei schauen wir uns nicht nur die üblichen 15 Tage-Trends für Nord- und Süddeutschland an, sondern auch für den Norden der USA, Grönland, Skandinavien und Russland.
Soweit der Überblick über die Gesamtlage der Lagen, der Karten, der Möglich- und Unmöglichkeiten. Sie haben noch Zeit für Winterreifen und das Winterfertigmachen des Gartens, ca. bis zum 25. Und wissen Sie, was letztendlich doch spannend und reizvoll ist? Plötzlich kann alles ganz schnell ganz anders werden! Wetter eben - ich liebe es :)!
(Alle Bilder/Grafiken: Kai Zorn)