Nach Hammer-Frühjahr: Was bringt das Wetter im Sommer 2018?

- Kai Zorn
Nach Hammer-Frühjahr: Was bringt das Wetter im Sommer 2018?
© dpa
Eine lange Hitzewelle erscheint im Sommer 2018 laut Kai Zorn eher unwahrscheinlich.

Seit April herrscht eine Wärme wie seit über 450 Jahren zu dieser Jahreszeit nicht mehr. An eine Fortsetzung im Sommer glaubt Kai Zorn aber nicht. Die Gründe…

Das meteorologische Frühjahr ist längst vorbei. Die Monate März, April und Mai brachten den zweitwärmsten Frühling seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Mit 10,2 Grad sind wir knapp vor 2011 (10,1 Grad) und 2014 sowie 2000 mit jeweils 10,0 Grad. Nur der Frühling 2007 war mit 10,6 Grad noch deutlich wärmer. Er ist gleichzeitig der Rekordhalter seit mindestens 1761.

Zum Vergleich: Das Mittel von 1961-90 liegt bei 7,8 Grad; das Mittel der vergangenen 30 Jahre bei 8,9 Grad.

Frühjahr 1785 mit nicht mehr vorstellbaren Temperaturen

Das kälteste Frühjahr stammt von 1785 mit einem legendären Rekord-Kälte-März mit einem Mittel von 4,1 Grad. Seinerzeit gab es nach einem strengen Winter 1784/85 den kältesten Wintermonat im März mit minus (!!!) 3,7 Grad, einen saukalten April und einen ziemlich kühlen Mai. Das sind Temperaturen, die wir uns heute überhaupt nicht einmal in Ansätzen vorstellen können. Der März 1785 war damals so kalt wie der ebenfalls legendäre Dezember 2010, der April so kalt wie bei uns inzwischen ein kühler März und der Mai war kälter als der April in diesem Jahr. 

Es folgte damals übrigens ein Grusel-Sommer, der seinesgleichen sucht. Der letzte, ähnlich kalte Sommer (15,5 Grad) stammt bei uns aus dem Jahre 1984.

Wir leben temperaturmäßig, verglichen mit den vergangenen Jahrhunderten, in einer Schlaraffenzeit. Solche "Schlaraffenzeiten" hat es früher immer wieder gegeben während des Mittelalterlichen Wärmeoptimums und während des Optimums der Römerzeit. 

Wärmster Frühlingsblock seit vielen Jahrhunderten

Kommen wir aber noch mal auf das vergangenen Frühjahr (2018) zurück. Der März brachte ja ein Minus, der April und der Mai jeweils ein Rekord-Plus. Verlassen wir mal die strengen Regeln des meteorologischen Frühjahrs und schauen uns die Zeit von Mitte März bis Mitte Juni an, dann dürften wir den wärmsten Frühlings- bzw. Frühsommerblock seit vielen Jahrhunderten hinter uns haben!

1862 finden wir ein sehr warmes Frühjahr (9,6 Grad), dafür anschließend einen kalten Sommer (15,6 Grad), Ähnliches gilt für 1841 (9,2 zu 15,0 Grad). Die Kombination sehr warmes Frühjahr und (sehr) warmer Sommer erspähen wir 1822 (9,7 und 17,4 Grad). Hier ging ein milder Winter voraus, ein für damalige Verhältnisse rekordwarmer März, jeweils ein warmer April und Mai und ein heißer Juni. Hier gibt es also einen noch am ehesten vergleichbaren Block an Wärmeüberschuss zwischen Frühjahr und Frühsommer. Der Juli machte teilweise noch mit, der August knickte ein und der Oktober kam wieder hoch. 

Ein nahezu identisches Schicksal wie 1822 legte das Jahr 1811 hin - das allerdings nach einem kalten Winter. Der Mai wuchtete ähnlich los wie in diesem Jahr. Der Juni wurde heiß, der Juli auch, der August knickte ein, der Oktober kam wieder hoch.

Warme Frühjahre auch im 18. Jahrhundert

Wir gehen ein paar Jahre in der Geschichte zurück und 1794 fällt auf: Nach mildem Winter mit allerdings recht kaltem Januar drehten März und April auf, der Mai schwächelte, der Juni gab Gas und der Juli wurde zum Hitze-Berserker für damalige Verhältnisse, danach Totalabsturz.

Ein bemerkenswert warmes Frühjahr stammt noch aus dem Jahre 1779, in dem vor allem der April den Ton angab. Nach einer kühleren Phase im Frühsommer brachte zumindest der August was Sommerliches auf die Kette. Dann erschöpft es sich...

Wir finden also in den vergangenen Jahrhunderten keine vergleichbaren Frühjahre mit 10 Grad plus x. Die eben genannten Frühjahre mit 9 bis 10 Grad waren jedoch für damalige Verhältnisse ganz schöne Kaliber. Die Mitteltemperatur lag um ein bis 2 Grad unter den heurigen Werten.

Frühjahr 2018 so warm wie mindestens seit 450 Jahren nicht mehr 

Um aber einen direkten Vergleich mit 2018 zu finden müssen wir viel weiter zurückgehen - und zwar in eine relativ kurze, dafür sehr markante Warmphase zwischen den 1510er und 1540er Jahren. Das heißt, es muss mehr als 450 Jahre her sein, dass wir eine solche Wärme hatten. Natürlich können wir hier nur mit Pi mal Daumen-Angaben durch Chroniken Vergleiche finden, dennoch ist eine solch markante Wärme lange nicht dagewesen. Spätestens im Rekordjahr 1540 müssen wir einen Pflock setzen! In Sachen Trockenheit und Hitze stellt dieses Jahr das oberste Ende des Möglichen vieler Jahrhunderte dar. Erst 999 und 994 finden wir wieder solch trocken-heiße Jahre. 

Fassen wir hier mal als Fazit zusammen: Die Wärmeperiode von April bis in den Juni hinein, die hinter uns liegt, ist wohl die wärmste seit 1540, kann jedoch jener aus dem Jahre 1540 bei weitem nicht das Wasser reichen. 

Was sagt das über das Sommerwetter 2018 aus?

Was sagt das denn über den Sommer aus? Wir stehen jetzt kurz vor der sogenannten Siebenschläferzeit. Diese wiederum soll ja, nach der Siebenschläferregel ("Wie das Wetter am Siebenschläfertag, es noch sieben Wochen halten mag.") über die Witterung im Hochsommer maßgebend sein. Ist das denn so?

Mit dieser Frage dürfen wir Wetterfrösche uns jedes Jahr auseinandersetzen. Bei mir ist es inzwischen das 23. Jahr im Dienste der Wettervorhersage. ;) Im Zuge der Recherchearbeiten meines Buches habe ich mich noch viel tiefer mit der Regel auseinander gesetzt; hier ein paar kurze Fakten:

  • Diese Regel hat nichts mit dem possierlichen Tierchen Siebenschläfer zu tun.
  • Diese Regel geht auf die Zeit der Christenverfolgung (2. bis 4. Jahrhundert) zurück.
  • Diese Regel hat, wenn man sie richtig anwendet, eine gigantische Trefferquote.
  • Diese Regel hat Risiken und Nebenwirkungen, weil sie nicht immer anwendbar ist.

In der kommenden Woche möchte ich an dieser Stelle etwas ausführlicher darauf eingehen und auch auf die Kalenderreform von Papst Gregor XIII. Anno 1582 wurden Kalender und Astronomie wieder auf einen Nenner gebracht und 10 Tage gestrichen. Dadurch verschiebt sich der 27. Juni auf den 7. Juli. Und überall hört man landauf, landab: Wir müssen auf den 27. Juni 10 Tage drauf rechnen und der eigentliche Siebenschläfer ist am 7. Juli. Das ist aber falsch. Warum? Nächste Woche - jetzt ginge das hier zu weit...

Umstellung der Wetterlage in der Siebenschläferzeit

In vielen Fällen kommt es irgendwann um Ende Juni/Anfang Juli zu einer Umstellung der Wetterlage. Die Kälte aus dem Winter im hohen Norden ist abgebaut, die Hitze im Süden hat sich weitgehend aufgebaut, die Druckgebilde pendeln sich ein. Die Temperatur-Gegensätze sind relativ gering und der Schwung ist draußen. Es herrscht so etwas wie "Sommerurlaub" in der Wetterküche. Da tut sich nicht mehr viel. Erst wenn die länger werdenden Nächte im Norden wieder mehr Kälte produzieren und mehr am Ausgleich der Temperaturen in der Nordhemisphäre gefummelt wird, kommt wieder mehr Schwung in die bis dato behäbige Sommerbude. 

Die Siebenschläferzeit Ende Juni/Anfang Juli ist der Mittelwert. Das Ganze kann aber auch um einige Wochen nach vorne und nach hinten vorschoben sein, denn: Die Weichen stellt gerne schon der Juni. Besonders markante Witterungsphasen bis dahin kippen gerne ins Gegenteil. 

Es gibt allerdings auch lehrbuchhaft schöne Siebenschläfer-Umstellungen: 2013 war solch ein Parade-Beispiel: Hier war es lange kühl und nass mit dem Hochwasser Anfang Juni. Es taumelte so rum und genau zum Monatswechsel kam die Umstellung. Wir hatten das neulich schon besprochen.

Wir bekommen keinen Hitzesommer 2018

Lasst uns konkret auf 2018 gucken: Im Februar gab es eine massive Umstellung auf Hochdruck. Dieser war erst kalt (Februar, März) und dann warm (April bis Anfang Juni). Danach begannen die Hochdrucklagen zu wackeln und es kam phasenweise zu zonalen Lagen (Tief mit Wind). Das passierte nicht abrupt, sondern schrittweise.

Und diese Schritte sind für mich ein Indiz dafür, dass wir es mit einer allmählichen Umstellung zu tun bekommen und dass der Sommer 2018 eben NICHT so weitermacht wie das Frühjahr und wir damit keinen Hitzesommer bekommen werden. Ich bleibe dabei! Die Wahrscheinlichkeit eines durchwachsen und eher mäßig-warmen Sommers ist höher als ein überdurchschnittlich warmer und trockener (Hoch)Sommer 2018.

Zwei Auffälligkeiten im Zusammenhang Frühjahr - Sommer

Die geneigte Leserin, der geneigte Leser wird mitbekommen haben, dass ich bei der Aufzählung der Jahre mit den markant warmen Frühjahren aus den vergangenen Jahrhunderten gleich den Sommer mit eingebunden habe. Hier haben wir zwei Auffälligkeiten bzw. Muster: Entweder bleibt das Frühjahr isoliert warm und der Sommer macht voll die Grätsche oder es beginnt im Frühjahr eine auffällig starke Wärme, die bis in die erste Sommerhälfte anhält und dann im Schlonz mündet. Erst ein goldener Oktober macht dann wieder "alles gut".

In seltenen Fällen ist das Frühjahr am Anfang warm, Mai und Juni sind kühl und der Hochsommer wird dann wieder warm. Und in ebenfalls ganz seltenen Fällen gehen Trockenheit und Hitze tout jours von Frühjahr bis Herbst. Das gab es aber nur einmal in diesem Ausmaß, nämlich 1947. 

Keine Hitzewelle zum Siebenschläfer

Allein diese Tatsache macht einen Hitzesommer 2018 schon mal fast sicher ausgeschlossen. Nur war es so, dass es an den vergangenen Tagen in der Modell-Welt aller Couleur ständig Berechnungen über "extreme Hitze" und "Omegalage zum Siebenschläfer" gab. Und wie ein wilder Hühnerhaufen wurde der Hitzesommer 2018 rausgegackert. Es wurde blind einigen Modellberechnungen vertraut und alle Hintergründe außen vor gelassen - die Hintergründe haben wir eben besprochen. Im Video gibt's zudem noch mehr zu einer Omega-Wetterlage:

Omega-Wetterlage: Bedeutung und Erklärung
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Die Modelle zeigten jedoch abseits ihrer fassadrigen Aushänge-Hauptläufe in den Kontrollläufen und anderen Berechnungen hinter den Kulissen auch andere Lösungen - in erster Linie eine retrograde Verlagerung des sich aufbauenden Hochs nach Westen. Gleichzeitig erstarkt seit Wochen das hitzefeindliche Azorenhoch. 

Und die Welt der Wettermodelle rudert langsam zurück. Aus der trockenen Hitze und der Omegalage zum Siebenschläfer könnte eher eine gemäßigte Sommerlage werden, die vielleicht sogar einiges an Regen im Gepäck haben könnte, zumindest vorübergehend und auch da, wo es bisher wenig geregnet hat: im Osten. 

Wettertrend Sommer 2018: Hochdrucklage bröckelt

Fassen wir zusammen: Der Bann der Dauerhochdrucklage (Omegalage, Blockadelage, etc.) ist schon seit einigen Wochen gebrochen bzw. angeknackst. Die Großwetterlage ist im Begriff sich umzustellen und die Wahrscheinlichkeit eines Tiefs dort, wo lange das Hoch lag, hat sich erhöht. Eine wechselhafte Hochsommerlage wird immer wahrscheinlicher als eine stabil sonnig-heiße. 

Momentan kommen für mich zwei Varianten in Frage. Variante 1: Es kommen noch ein paar markante Wärmewellen oder Hitzewellchen nach und der Juli bringt zumindest phasenweise was Hochsommerliches zustande und der August macht dem Sommer endgültig den Garaus. Oder Variante 2: Es kommt nun eine sehr wechselhafte und phasenweise auch kühle Witterung mit Regen auf uns zu (Azorenhoch, Mittelmeerhoch vs. Islandtief, Skandinavientief), die erst wieder am Ende des Hochsommers im August endet und wir zurück zum Skandihoch mit einem versöhnlichen Spätsommer kommen.

Weitere Infos dazu gibt's im Video.

Persönlich glaube ich eher an eine jetzt erst einmal durchwachsene Zeit mit kurzen (hoch)sommerlichen Episoden und an einen (gefühlt) frühen Herbst. Die nächste dauerhaft stabile Lage kommt wahrscheinlich erst im Laufe des Altweibersommers, der in einem schönen Herbst (goldener Oktober) endet...

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