Golden November - gibt's eine Lizenz zum Wintern?

Veröffentlicht: Do 05.11.2015 | 12:55 Uhr
Golden November - gibt's eine Lizenz zum Wintern?

Derzeit kribbelt es schon ein wenig beim Anblick der Wetterkarten. So ganz „unspannend“ ist das da nicht, was sich da in der Mittel- und Langfrist tut bzw. tun könnte; positiv formuliert: Es tut sich was!

Blicken wir doch einmal zurück... Erinnern Sie sich an die Diskussion, die wir zu Beginn des meteorologischen Herbstes führten? Der September begann mit Hochdruck und die Bauernregel besagt(e): "September schön in den ersten Tagen will den ganzen Herbst ansagen." Der September hatte Hochdruck und wurde "nur" von einem Ex-Hurrikan unterbrochen. Dieser Ex-Hurrikan hatte die Kraft, die Hochdruckdominanz kurz zu durchbrechen, ehe sich wieder kräftige Hochs aufbauten.

Der Oktober hatte ebenfalls viel Hochdruck. Die kühle und nasse Phase in der Mitte mit den ersten Schneefällen war mehr oder weniger auch ein Relikt der Hochs. Vor ein paar Wochen klemmte sich ein kleines Tief, ein so genannter Kaltlufttropfen, zwischen die Hochs und sorgte dank der "Isothermie" für Schneefälle bis ganz runter. (Isothermie grob gesagt = Bei Windstille zieht es durch den Niederschlag die kalte Luft bis zum Boden runter. Kommt Wind ins Spiel, wird die kalte "Luftsäule" zerstört und es regnet unten wieder.)
 
Und der November schlägt und schlug bisher auch in die Hochdruck-Kerbe. Der September und der Oktober hatten, ähnlich wieder November aktuell, ebenfalls Phasen mit Sonne und Wärme. Der September begann mit Hochsommerwetter und der Oktober war zu Beginn und am Schluss sonnig und überdurchschnittlich warm.
 
Der November hat vielerorts einen fulminanten Start aufs Parkett gelegt. Da können nur wenige November-Einstiege mithalten - temperaturmäßig der November 2011 vielleicht. 2011 war es deutlich wärmer als heuer, dafür aber nicht unbedingt sonniger. Von den Nebelgebieten im Südwesten abgesehen haben wir zwischen 30 und 70 Prozent (!!!) des Sonnenscheinsolls eines gesamten Durchschnitt-Novembers bereits erreicht. Gemittelt auf Deutschland sind wir in den ersten 4 Tagen bei exakt einem Drittel!
 
Dass es trotz der teils rekordverdächtig hohen Temperaturen "nur" knapp 3 Grad zu warm ist (verglichen mit einem Durchschnitts-November der Jahre 1961-90), verdanken wir den kühlen bis kalten Nächten samt Frost.
 
Bleiben wir kurz bei den Temperaturen. In den Berglagen hat es neue Temperatur-Rekorde nur so geknüppelt. Auf dem Fichtelberg im Erzgebirge beispielsweise wurde der alte Rekord aus dem Jahre 1968 vom 4. November mit 16,8 Grad regelrecht pulverisiert. Am Montag (2.) wurden dort 19,0 Grad gemessen. Auf der Wasserkuppe in der Rhön auf knapp 1000 Meter Höhe waren es 19,9 Grad. Hier wird seit 1936, auf dem Fichtelberg seit 1951 gemessen. Der Kahle Asten im Sauerland und der Große Arber im Bayerischen Wald sowie Neuhaus am Rennsteig reihen sich alle in die Liste der neuen Dekadenrekorde ein.
 
Nicht dabei waren übrigens der Hohe Peißenberg, der Feldberg im Schwarzwald, die Zugspitze oder auch die Alpentäler. Obwohl es hier deutlich über 20 Grad gab, wurden die jeweils 23,7 Grad in Oberstdorf (6. November 1997) und Garmisch (4. November 1940) nicht übertroffen.
 
Sieht man sich die übrigen Dekaden-Rekorde "warm" von Anfang November an, so fällt 1968 stark ins Auge. Dann sind noch einige Jahre dabei, bei denen sehr milde Winter folgen und auch sehr kalte, teils rekordverdächtig kalte. Es findet sich sogar in Bad Kissingen das Jahr 1962. (Der Winter 1962/63 war der zweitkälteste Winter in Mitteleuropa aus über 250 Jahren.) Ein eisiger Kriegswinter war dabei und auch der Winter mit dem Eisfebruar 1956. Auch der Beginn der kalten Winter der End60er Jahre bzw. der Beginn der kalten Winter der Mitt80er Jahre sind vertreten oder auch der Beginn der kälteren Winter aus der jüngsten Geschichte, nämlich 2008.
 
Die Mildwinter-Vorbereiter aus den Jahren 1992, 1994, 1997, 1999 und 2011 sind auch vertreten, ja, doch in deutlicher Unterzahl.
 
Auch hier merken wir, wie schon häufiger in den Winterdiskussionen beschrieben: Die Zeichen stehen entweder auf Eiswinter oder auf Mildwinter. Was am Ende letztendlich dabei heraus kommt, weiß gerade niemand... Oder, halt - Zynismus-Modus on: Der aus der wissenschaftlichen Fachzeitschrift meinte, es würde ein regenreicher und sehr milder Winter werden. Geht man nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre, so stünde uns ein trocken-eisiger Winter bevor... Zynismus-Modus off. ;)
 
Um die Problematiken der Winter-Prognose abzukürzen, verweise ich noch einmal auf das sensationelle Video meines Kollegen Bernd Madlener mit seiner spannenden Zusammenfassung. Was das für Wetterlagen, jeweils mild und kalt, zur Folge haben könnte, hatte ich ebenfalls in einem Video zusammengefasst. In Kürze werde ich weitere Analysen in Video-Form über die durchaus spannende Winterdiskussion erstellen. Egal, was das heuer für ein Winter wird, die Vorgeschichte ist und bleibt einfach spannend...
 
Verlassen wir den Rückblick und die Winterspekulation und blicken in die mittel- und langfristige Zukunft, die, wie eingangs erwähnt, ebenfalls sehr spannend ist. Es wird nämlich umgebaut. Großräumige Veränderungen kann es mal in Ruckform geben, bei einer gewissen Nachhaltigkeit dauert das aber länger und verläuft über (viele) Wochen. Schaut man sich die 15 Tage-Trends an, dann sieht man einen treppchenhaften Abstieg der Luftmassen-Temperaturen von über 10 Grad zu warm auf fast normal. Im Süden ist das ausgeprägter als im Norden. Während der Norden im gesamten Vorhersage-Zeitraum "Niederschlagssignale" simuliert, kommen diese im Süden erst peu a peu dazu, besonders nach Mitte November.
 
Eine Bauernregel beschreibt die Situation ganz gut: "Gibt es keinen Schnee bis Allerheiligen, so kommt auch keiner bis Martini." - soll heißen: Die Großwetterlage stellt sich einfach in der ersten November-Dekade nicht gerne um, aber dann. Wie schon im Video am Heustadl beschrieben, nimmt der Tiefdruckeinfluss in Mitteleuropa zu.
 
Wie diese Auswirkungen im Einzelnen ausfallen und was sich daraus ergibt, bleibt noch Spekulation; Beispiel: Wird die am Nordpol lungernde und sich weiter auskühlende Kaltluft über dem Norden Amerikas nach Süden gelenkt und entsteht ein Tief auf dem Atlantik, dann hat der Winter bei uns relativ schlechte Karten. Wird jedoch der Atlantik blockiert und weicht die Kaltluft ohne großes Bimmbammborium sonst nach Süden aus, beispielsweise über Eurasien, dann geht es in die andere Richtung. Und auch hier wären wir wieder bei der Hauptdiskussion "Wie wird der Winter." Die Würfel werden definitiv in den kommenden 4 bis 5 Wochen fallen.

Die ersten nennenswerten Tiefs beschäftigen uns am Freitag und Samstag in der Nordhälfte. Hier erwarten uns viele Wolken, zeitweilige Regenfälle und Wind. Südlich von Main und Mosel bleibt (noch) alles beim Alten mit viel Sonnenschein. Ungewöhnlich mild ist es dazu überall. Am Freitag sind es 12 bis 20, am Samstag 14 bis 22 Grad. Freunde, wir haben November. 14 bis 22 Grad sind eigentlich Spätsommertemperaturen von Ende September!
 
Wetterlage am Samstag

Am Sonntag verschwinden Regen, Gewölk und kurzzeitig auch Wind aus dem Norden und die Sonne setzt sich durch. Im Süden setzt sich das gemütliche "Nachsommer-Wetter" des Novembers fort. Mit etwas über 10 Grad an der Ostsee und rund 20 Grad im Südwesten bleiben wir auf End-September-Niveau.
 
Mit einer Zweiteilung und mit viel Schwung geht es in die neue Woche. Die Nordhälfte bekommt mehr Wolken als Sonne und von der Nordsee her schrammen uns immer wieder Regengebiete. Der Süden bleibt im Schutze der Alpen auf der freundlichen Seite mit einem Wechsel aus längeren sonnigen Phasen und kompakteren Wolkenfeldern. Dazu wird es sehr windig. Süd- bis Südwestwind fegt durchs Land und schüttelt das Laub teils gänzlich von den Bäumen. In der Nordhälfte wird es am Dienstag sogar richtig stürmisch. Die gemütlichste "Nachsommer-Ecke" haben wir in der kommenden Woche wieder einmal mehr in Alpennähe. Der grobe Temperatur-Rahmen von 12 bis knapp 20 Grad bleibt bestehen. Durch Wind und Wolken werden die Nächte teilweise sehr lau ausfallen. Die November-Abweichungen in Sachen Temperatur werden ordentlich nach oben gedrückt.
 
gemittelte Wetterlage für den 15. November

Während der aktuelle GFS-Lauf für die zweite Wochenhälfte inklusive Wochenende wieder Sonne und Wärme in weiten Teilen Deutschlands sieht, simulieren die anderen Modelle eine Fortführung der Zweiteilung mit Wolken, Wind und Regen im Norden und Sonne im Süden inklusiver einer leichten Abkühlung. Letzteres ist momentan die wahrscheinlichere Lösung.
 
Apropos Lösung: Immer mal wieder gab es in den Modellen Berechnungen, dass es nach dem 18. November, also um den 20. herum, einen ersten nennenswerten Kaltluftvorstoß aus Nordwest bis Nord geben könnte mit Schneefällen bis ins höhere Flachland (300 bis 500 Meter Höhe). Dann wird das Ganze wieder verworfen, dann neu gerechnet, etc.
Es zeigt auf alle Fälle, dass was im Busch ist!
 
gemittelte Wetterlage für den 20. November

Ein (nachhaltiger) Wintereinbruch bis ins Flachland ist nach derzeitiger Kartenlage nicht in Sicht. Das wäre meines Erachtens jetzt auch noch zu früh (bis zum 20.). Die gewaltige Hochdruck-Dominanz beginnt jedoch zu brechen. Die Winterreifen sollten bergwärts langsam drauf, im Flachland haben wir noch eine kleine Schonfrist. Angesichts der Jahreszeit kann es allerdings jederzeit zu einem Wintereinbruch kommen - ob nachhaltig oder nicht. Die Bauernregel dazu besagt: "Der November bricht oft scharf herein, muss nicht viel dahinter sein."
 
Wir können als Fazit festhalten: Das durchweg sonnige und warme Wetter, von den Nebelgebieten mal abgesehen, geht zu Ende. Vor allem in der Nordhälfte wird es unruhiger mit Regen. Richtig kühles Wetter ist binnen Wochenfrist nicht in Sicht, danach - also in der übernächsten Woche - ist alles offen mit ersten Schneefällen bis rund 500 Meter Höhe. Nachhaltiges Winterwetter bis ganz runter ist nicht in Sicht.

Und übrigens: Ähnlich wie bei den Winterreifen haben Sie in Sachen Garten winterfertig Machen noch Zeit. Nutzen Sie sie...

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(Alle Bilder/Grafiken: Kai Zorn)

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