2 Bretter, 1 Berg - 125 Jahre Skilauf im Schwarzwald

- Alexander Marx
2 Bretter, 1 Berg - 125 Jahre Skilauf im Schwarzwald
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Trägt der Reisende ein Narrenkostüm? Zählen die seltsamen Holzbretter und der Stock zur Verkleidung? Es ist der Fastnachtssonntag 1891, als Dr. Robert Pilet am Bahnhof Titisee aus dem Zug steigt. Er macht sich auf den Weg zum Feldberg und sorgt bei den Einheimischen für große Verwunderung.
 
Zwei Meter Neuschnee sollen an diesem Tag auf dem 1493 Meter hohen Gipfel gelegen haben, wissen die Chronisten später zu berichten. Mehr als drei Stunden wird der französische Diplomat auf Skiern für die zehn Kilometer lange Wegestrecke bis zum Hotel "Feldberger Hof" brauchen. Über 1000 Höhenmeter stapft Pilet durch die Winterwelt bergauf. Fünf Stunden später steht der 33 Jahre alte Globetrotter auf dem Gipfel. In der Dämmerung des Nachmittags kehrt der Pionier im Hotel ein und schreibt ins Gästebuch: "R. Pilet, Dr., Heidelberg, Februar 8.1891, mit Norwegischen Schneeschuhen".
 
"Das ist der Beginn des Skilaufes im Schwarzwald vor 125 Jahren und damit wohl auch in Mitteleuropa", sagt Reinhard Janus vom Skiclub Todtnau. "Pilet hatte die Holzbretter zum Gleiten über den Schnee auf seinen Reisen in Skandinavien kennengelernt. In Norwegen wurden sie Ski genannt." Janus, pensionierter Schulleiter, hat sich mit den Anfängen des Wintersports rund um den Feldberg ausgiebig befasst.
 
Neue Trendsportart Skifahren fasziniert
In den Monaten nach Pilets Wanderung auf Skiern entdecken mehr und mehr Wintertouristen den Feldberg. Die neue Trendsportart fasziniert. 1894 hält der "Feldberger Hof" bereits 40 Zimmer und 70 Betten für Skifahrer bereit. Im Jahr 1900 kann das Hotel stolz vermelden: Wir haben den achten Telefonanschluss in Deutschland, und den ersten außerhalb von Berlin!
 
Über die Anfänge des Wintersports informiert heute das Schwarzwälder Skimuseum, das im mehr als 300 Jahre alten Bauerngehöft Hugenhof in Hinterzarten eingerichtet wurde. Wie lebten die Menschen Ende des 19. Jahrhunderts rund um den Feldberg? Mit historischen Fotografien und Winterbekleidung von damals wird die Zeit veranschaulicht.
 
Hoher Besuch im Schwarzwälder Skimuseum
Im Museum treffen die Besucher hin und wieder auch auf Georg Thoma, der 1960 in Squaw Valley Olympiasieger in der Nordischen Kombination und Weltmeister wurde. Der 78 Jahre alte Hinterzartener führt regelmäßig Gäste durch das Museum, das in einer Sonderschau Thomas sportliche Erfolge zwischen 1950 und 1985 würdigt. Die Goldmedaille von Squaw Valley glänzt dort hinter Glas in einer Vitrine, ebenso das Silberne Lorbeerblatt des Bundespräsidenten.
 
"Schon bevor Dr. Pilet mit den Skiern aus Norwegen zu uns kam, bewegten sich die Einheimischen hier mit einer Art Schneeschuhe vorwärts", berichtet Thoma. Der Wintersport ist vielen Schwarzwäldern anfangs fremd: Nur die Betuchten - Industrielle, Adel, Studierte aus Freiburg - können sich Ende des 19. Jahrhunderts den Winterurlaub auf Skiern leisten und ganz nobel im "Feldberger Hof" nächtigen. Im Alltag nutzen bald auch Einheimische die neuen Fortbewegungsmittel: Pfarrer, Polizisten, Briefträger und Hebammen gleiten auf Langlaufskiern selbst zu entlegenen Bauerngehöften.
 
Bereits 1892 eine Skiproduktion in Serie
Schreiner Ernst Köpfer aus Bernau südlich des Feldbergs ist es, der das wirtschaftliche Potential des Wintersports erkennt. Er baut 1892 als erster Mensch in Mitteleuropa eine Skiproduktion in Serie auf. Vorbild sind die Bretter aus Norwegen. Als "Marke Feldberg" sind die Bretter von Ski-Köpfer ab 1906 beim Kaiserlichen Patent- und Markenamt in Berlin eingetragen. 10 000 Paar Feldberg-Ski werden bis zu Köpfers Tod im Jahr 1954 hergestellt. 
 
"Der Großvater hatte ein halbes Dutzend Beschäftigte, die ausschließlich Skier herstellten", berichtet Walter Strohmeier. Der Enkelsohn hält in einem privaten Museum in Bernau mit 750 Exponaten liebevoll das Andenken an den Skipionier hoch. Auf Anfrage führt er Besucher durch die sehenswerte Sammlung.
 
Erster Skilift der Welt im Schwarzwald
Wen wundert es jetzt noch, dass sich auch der erste Skilift der Welt im Schwarzwald drehte? Im einsamen Schollacher Tal grübelt Gastwirt Robert Winterhalder zu Beginn des 20. Jahrhunderts darüber, wie er Skifahrer in seine Pension "Schneckenhof" locken könnte. Der Tüftler baut am Hang gegenüber fünf Holzmasten auf. Dazu Tal- und Bergstation mit Umlaufrädern und Endlosseil, an das spezielle Zangen und Holzgriffe für die Fahrgäste geklemmt werden. Zum Antrieb des Motors nutzt er die Wasserkraft seiner Mühle in der Talaue.
 
Am 14. Februar 1908 geht der Schollacher Skilift in Betrieb. Er ist 280 Meter lang und überwindet 23 Meter Höhenunterschied. "Es war der erste weltweit", bekräftigt Enkelsohn Klaus. Zum Beweis holt der 75-jährige Land- und Gastwirt die Patentschriften des Großvaters aus halb Europa hervor. Als "Vorrichtung zum Hinaufziehen von Schneeschuhläufern und Rodlern mittels einer kontinuierlich sich bewegenden Seilbahn auf beschneiten Berghängen" wird die Erfindung am 15. Juli 1908 etwa vom Eidgenössischen Amt für Geistiges Eigentum für die Schweiz eingetragen. Exakt um 8.10 Uhr.
 
Run auf die 16 Feldberg-Pisten
Mit dem Lift löst Winterhalder einen Ansturm von Wintersportlern aus. Werbeprospekte preisen seine Aufzugsbahn, Zehnerkarten ermuntern Skiläufer zu mehreren Liftfahrten. Heute ist von alledem nichts mehr zu sehen. Erfinder Winterhalder stirbt 1932, im Ersten Weltkrieg verfällt die Anlage, die Patente laufen aus.
 
 
Am Feldberg hingegen ist aus einem Exotensport längst ein Winterspaß für alle geworden. Aus dem noblen "Feldberger Hof" wurde ein 500-Betten-Hotel für Familien mit Kindern. 14 Sesselbahnen und Lifte am Feldberg können stündlich über 24 000 Wintersportler zu den 16 Pisten verschiedener Schwierigkeitsgrade transportieren. Gerade haben sie ein neues Parkhaus gebaut. Optisch keine Schönheit - aber notwendig für die vielen Skitouristen.
 
dpa
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