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Der Traum vom autarken Bio-Dorf an der Elbe

So 20.03.2016 | 00:00 Uhr - Quelle: dpa
Schmilika auf dem Weg zum Bio-Dorf dank Sven-Erik Hitzer. ©dpa

Unternehmer Sven-Erik Hitzer hat große Pläne: Das verschlafene Dorf Schmilka an der tschechischen Grenze in ein Öko-Ressort zu verwandeln. Vieles hat sich schon getan. Es gibt aber auch Gegenstimmen.

Nur wenige Schritte von der Elbe entfernt führt eine schmale Kopfsteingasse bergan, bunte Häuser schmiegen sich auf beiden Seiten an den Hang. Ein Mühlrad dreht sich leise knarzend, in der Backstube gegenüber holt der Bäcker frisches Brot aus dem Ofen.

Schmilka, ein kleines Dorf in der Sächsischen Schweiz, unmittelbar an der Grenze zu Tschechien, hat weniger als 100 Einwohner. Doch Unternehmer Sven-Erik Hitzer hat große Pläne: Das Dorf in ein Öko-Ressort zu verwandeln. 

Wie alles begann
“Früher war das hier ein eher unfreundlicher Grenzort“, erinnert sich der 53-Jährige und zeigt aus dem Fenster seines Bio-Hotels. Der gebürtige Cottbuser kam schon zu DDR-Zeiten so oft es ging zum Klettern in die Sächsische Schweiz, lernte Anfang der 80er Jahre beim Wandern seine Frau kennen. 

Als nach der Wende die Mühle mit dem dazugehörigen Bettenhaus zum Verkauf stand, überlegte er nicht lange. “Die Mühle kannte ich schon vom Durchlaufen, das hat mich gereizt.“ 1993 kaufte er das Ensemble und baute es zu einer Wanderpension um – der Grundstein, wie Hitzer heute sagt.

Die ersten Einrichtungen existieren bereits
Gut 20 Jahre später hat sich viel getan. Im alten Zollhaus an der ehemaligen Grenze sind baubiologische Ferienwohnungen entstanden. Im Erdgeschoss ist mit einer Bio-Konditorei wieder Leben eingezogen, in der Vitrine locken vegane Torten. Nach dem Winterschlaf hat das Café nun wieder geöffnet. Ostern beginnt die Saison für den Ort.

Im Bio-Hotel “Helvetia“ warten 22 Zimmer auf Gäste. Sämtliche im Restaurant angebotenen Speisen und Getränke sind biologisch. “Das Bio-Thema spielte von Anfang an eine Rolle, alles sollte möglichst authentisch und historisch sein.“

2007 begann Hitzer, in der Region bekannt als “Bio-Pionier“, mit dem Ausbau der Mühle, ließ Wasserrad und Mahlwerk wieder herrichten. Später kam die Bio-Bäckerei dazu, im Herbst 2014 die Bio-Brauerei. Der Strom kommt von Solaranlagen auf den Dächern des Dorfes, innerhalb des Ortes schnurren mehrere Elektroautos hin und her, um Waren zu transportieren. 

Die Vision lebt weiter
In zehn Jahren, so schwebt es Unternehmer Hitzer vor, soll Schmilka als autarkes Energiedorf funktionieren und der ökologische Gedanke zu “100 Prozent umgesetzt sein“. Bis dahin sei es allerdings noch ein weiter Weg, sagt der energische 53-Jährige mit den kurzen dunklen Haaren. 

“Bisher ist das Ganze noch ein Flickenteppich, künftig soll es ein stimmiges Gesamtbild ergeben.“ Seit diesem Jahr vermarktet Hitzer den kleinen Ort unter der Dachmarke “Bio und Nationalpark Refugium Schmilka“. Das versteht er auch als Aufruf an die Einwohner, den ökologischen Gedanken mit eigenen Ideen weiterzuentwickeln.

Leuchtturm-Projekt
Tino Richter, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz, sieht das Vorhaben als “Leuchtturm und Motor für die Region.“ Ein Bio-Ressort passe wunderbar in die Gesamtstrategie der Region, wo Nachhaltigkeit und die Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Sächsische Schweiz im Vordergrund stehe. “Durch die konsequente Ausrichtung auf Bio lässt sich eine ganz neue Zielgruppe gewinnen“, ist Richter überzeugt. Auch der Bürgermeister von Bad Schandau, Thomas Kunack, sieht großes Potenzial in seiner Gemeinde Schmilka.

Derzeit wird an einem Haus des Gastes als zentraler Rezeption gewerkelt, auch eine ökologische Wäscherei sowie ein Wasserwanderrastplatz für Sportboote soll es künftig geben.

Kein Bio-Dorf ohne Gegenwind
Doch nicht überall stoßen die Pläne von Hitzer auf Begeisterung: “Wir brauchen hier kein St. Tropez für Reiche“, schimpft ein älterer Schmilkaer, dessen Tochter ebenfalls eine Pension im Ort betreibt.
Die Preise seien überzogen, fast die Hälfte des Ortes gehöre mittlerweile Hitzer.

Wie viele Immobilien der Unternehmer besitzt, verrät er nicht. Nur soviel: “Ich bin fast von jedem hier der Nachbar.“ Hitzer ist nicht nur Touristiker, sondern nebenher auch Veranstalter - unter anderem bewirtschaftet er die Festung Königstein mit Restauration und organisiert den Weihnachtsmarkt auf dem Dresdner Neumarkt. Rund 200 Mitarbeiter beschäftigt er an verschiedenen Standorten in der Region.

Zeit zum Wandern in der Sächsischen Schweiz bleibt dem findigen Unternehmer heute kaum noch, er arbeitet viel, zahlreiche Ideen und Projekte hat er im Kopf, die er umsetzen will. “Wenn ich mich an etwas festgebissen habe, setze ich das auch um“, sagt Hitzer. 

Hochwasser als größte Gefahr
An seinem Traum vom Bio-Dorf an der Elbe hält er fest - wenn ihm auch das vergangene Hochwasser im Jahr 2013 einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. “Das hat uns massiv zurückgeworfen.“ Viele Gebäude in Schmilka sind beschädigt worden, der Schaden beläuft sich auf mehrere Millionen Euro. Einige Gebäude müssen immer noch saniert werden. 

Auch wenn das Hochwasser jederzeit wieder kommen kann - Hitzer setzt darauf, dass es künftig viele Besucher auf der Suche nach Ruhe und einer ökologischen Lebensweise nach Schmilka zieht. Und Touristen und Einheimische friedlich nebeneinander wohnen. “Es ist schon visionär, in einem so einsamen Dorf daran zu glauben.“

dpa
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