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Eiswinter an der Ostsee werden kürzer und milder

Mo 03.12.2012 | 11:16 Uhr - Redaktion
"Sogar in dieser eigentlich ja ziemlich kurzen Zeit gibt es einen deutlichen Temperatursprung nach oben von einem bis zwei Grad Celsius in den Wintermonaten", sagt die Expertin. Dabei tippt sie auf einen Knick der Temperaturanzeige in ihrem Diagramm, der sich in den Jahren 1988/1989/1990 andeutet. Was auch immer die Ursache dafür war, "das hatte auch Auswirkungen auf die Eiswinter auf der Ostsee". Die Winter am Meer werden milder, das Eis zieht sich von den Küsten eher zurück. Richtig knackige Eiswinter seien aber damit nicht ausgeschlossen, sagt Schmelzer.

Seit über zwei Jahrzehnten beobachtet die Physikerin in Rostock die Vereisung der Ostsee und wertet die Daten aus, die ihr Eisbeobachter zuschicken. "Ich mache es schon so lange, aber glauben Sie nicht, dass ich mir zutraue, einen Eiswinter vorherzusagen", betont sie. Die Kurve der extrem starken und der sehr schwachen Eiswinter der vergangenen Jahrzehnte gleicht einer Berg- und Talfahrt. Regeln lassen sich kaum erkennen. "Die Eisbildung ist von so vielen Komponenten abhängig, dass es zu einfach wäre anzunehmen, Eiswinter wiederholten sich in schöner Regelmäßigkeit."

Der letzte eisreiche Winter wurde 1995/1996 registriert. Die Winter in den drei vergangenen Jahren waren dagegen eher mäßig, obwohl sie manch einem als besonders frostig in Erinnerung sind. Komplett zugefroren war das Binnenmeer zuletzt 1986/87, das heißt bis auf ein kleine Stelle östlich von Bornholm. Hier bildet sich fast nie eine geschlossene Eisdecke. In diesem Fall sind bis zu 25 Eisbrecher im Einsatz, um Fahrrinnen frei zu halten.

Längerfristige Vorhersagen sind fast unmöglich. So sind keineswegs Minusgrade die alles entscheidenden Voraussetzungen, ob auf Gewässern ein Eispanzer wächst oder nicht. Von der Windrichtung und der -stärke, von Niederschlägen und Salzgehalt des Wassers hängt es ebenfalls ab, ob und wann sich Eis bildet und wie lange es bleibt. Auch wenn der Winter relativ mild beginnt, ist im Februar starker Frost mit dickem Eis keinesfalls ausgeschlossen.

Und Eis ist nicht gleich Eis, sagt der Ozeanograf Holfort, der den Eisdienst des BSH leitet. "Wir unterscheiden Eis zum Beispiel nach Alter, Form, Festigkeit, Farbe und auch Gefährlichkeit für die Schifffahrt", erklärt er und nennt als Beispiel gutes und schlechtes Eis, je nachdem, ob es Tauchern oder U-Booten die Möglichkeit zum Auftauchen gibt. Es gibt Pfannkucheneis, das genauso aussieht, wie es heißt. Der Eiscode kennt auch Schneebrei, Trümmer- und Presseis, festgestampftes, kompaktes und lockeres Eis. "Dazu gibt es genaue Kriterien, die in allen Anrainerstaaten gleich sind. Sonst könnten wir unsere Eisbeobachtungen nicht vergleichen", sagt er.

Im Winter gibt das BSH täglich mehrere Eisberichte mit den gesammelten Informationen aus den Küstenregionen heraus, um die Schifffahrt vor Gefahren zu warnen. Die Berichte helfen Kapitänen, Reedern und Hafendispatchern, aber auch einheimischen Fischern oder Anglern. Sind zum Beispiel Hafenzufahrten vereist, haben leichtgängige Schiffe Probleme. "Aber auch die Marineschiffe, die müssen wegen ihrer empfindlichen Außenhaut schon bei Eisdecken ab fünf Zentimeter Dicke im Hafen bleiben", sagt Schmelzer.

Trotz der wirtschaftlichen Bedeutung der Eisprognosen ist die Gruppe der sogenannten Eisanalysten weltweit klein. Einmal im Jahr tauschen sie ihre Erfahrungen aus, 2013 im Juni in St. Petersburg. "Die Wissenschaft gibt es noch nicht so lange, ebensowenig ausführliche Datenreihen", berichtet Schmelzer. Dabei sei Eis ein guter Faktor, um Klimaveränderungen zu beschreiben, mehr noch als Temperaturreihen. Ein 50-Jahre-Eisatlas sei somit eine gute Arbeitsgrundlage für Klimaforscher. Ein Pendant zu den Eiswintern an der Nordseeküste soll deshalb demnächst folgen.
 
(dapd)
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