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Im Westen freundlich, gebietsweise mäßig warm

Mi 28.08.2013 | 10:56 Uhr - Redaktion

Wie jedes andere Genre verfügt auch die Meteorologie, insbesondere die Sparte, die sich mit der Wettervorhersage beschäftigt, über einen speziellen Sprachduktus. Dazu gehören nicht nur Fachbegriffe wie z.B. Kaltfront, Hochdruckbrücke, Trog usw., hinter denen ein relativ klarer wissenschaftlicher Inhalt steckt. Manche Nutzer von Wetterberichten - in der Regel Hobbymeteorologen - können mit den meisten dieser Begriffe etwas anfangen und wissen sofort, was gemeint ist. Andere tun sich etwas schwerer damit, was aber in der Natur der Sache liegt. Für diese Fälle versucht der Meteorologe dann, nutzerfreundliche Umschreibungen ins Spiel zu bringen. So wird z.B. eine Warm- oder Kaltfront oder die Mischung daraus (so genannte Okklusion) gerne als Tiefausläufer beschrieben, was in der Öffentlichkeit offensichtlich ganz gut verstanden wird.

Neben den Fachbegriffen tauchen in den Wetterberichten aber auch Worte und Begriffe auf, die im täglichen Sprachgebrauch völlig "normal" sind und eigentlich auch von jedem benutzt respektive verstanden werden. Und trotzdem treten immer wieder Fragen auf, was genau hinter bestimmten Begriffen steckt. Wie im Folgenden anhand einiger Beispiele erläutert wird, steckt manchmal eine klar definierte Antwort dahinter. In anderen Fällen wiederum liegt eine mehr oder weniger ausgeprägte Unschärfe vor, die z.T. aber vom Meteorologen gewollt ist, weil er sich mit bestimmten Aussagen nicht genau festlegen will. Und dann gibt es da noch die subjektiven Termini, die ein wenig das (vermeintlich) menschliche Empfinden zum Ausdruck bringen. "Last but not least" - damit es nicht zu einfach wird - gibt es natürlich auch Kombinationen aus den eben genannten Punkten.
 
Nun aber "in medias res":

Zu den klar definierten Aussagen in einem Wetterbericht gehören im Winter die Begriffe wie "leichter, mäßiger, strenger Frost". So tritt leichter Frost bei nächtlichen Minima zwischen 0 und -4 Grad, mäßiger Frost bei -4 bis -10 Grad und strenger Frost von -10 bis -15 Grad auf. Ab -15 Grad abwärts spricht man dann von sehr strengem Frost. Eindeutig bestimmt sind auch Begriffe wie Sommertag (ab 25 Grad aufwärts), heißer Tag (ab 30 Grad aufwärts), Tropennacht (nächtliches Minimum über 20 Grad) oder im Winter Eistag (nicht über 0 Grad).

Etwas schwieriger wird es dann schon mit Bezeichnungen wie "mäßig warm, mild, kühl usw.". Hierzu existiert beim Deutschen Wetterdienst eine Tabelle, die vor vielen Jahren erstellt wurde. Sie orientiert sich an langjährigen Beobachtungen sowie daraus resultierenden Mittelwerten und beschreibt, welche Attribute in den verschiedenen Jahreszeiten oder Monaten bei bestimmten Temperaturen benutzt werden sollen.

So spricht man im Sommer (Juni, Juli, August) von mäßig warm, wenn die Tageshöchsttemperatur zwischen 21 und 23 Grad liegt (24-26 Grad: warm, 27 bis 29 Grad: sehr warm, ab 30 Grad: heiß). Im Mai und September wird von mäßig warm schon bei 18 bis 22 Grad gesprochen (23-25 Grad: warm, 26 bis 29 Grad: sehr warm, ab 30 Grad: heiß). Kühl ist es im Sommer dagegen bei 17 bis 20 Grad, sehr kühl bei unter 17 Grad. Im April hingegen ist es erst bei 6 bis 9 Grad sehr kühl und bei 10 bis 12 Grad kühl, während man bei 18 bis 22 Grad von sehr milder Luft spricht. In den Wintermonaten sollte das Wort "kühl"
überhaupt nicht auftreten, dort reicht die Spanne unter- bzw. oberhalb der Normalwerte von sehr kalt bis mäßig kalt sowie von mild bis ungewöhnlich mild. Ganz schön kompliziert das Ganze, zumal für exponierte Regionen wie Küste, Inseln, Täler, Gebirge auch noch Zu- oder Abschläge zu den Werten dazukommen. Letztlich stellt die Tabelle eine Stütze für den Meteorologen dar, wenn es darum geht, eine Luftmasse zu quantifizieren. Der Nutzer freilich kann sich die ganzen Zahlen nicht merken. Muss er auch nicht, schließlich beinhalten Wetterberichte in der Regel die erwarteten Tageshöchstwerte. Dass bei der ganzen Angelegenheit auch ein Schuss Subjektivität dabei ist, versteht sich von selbst. Es gibt durchaus Zeitgenossen, die 26 oder 27 Grad im Sommer schon als heiß empfinden und im Winter bei Temperaturen um den Gefrierpunkt von kalt sprechen.

Zu der Liste der unscharfen Begrifflichkeiten gehören als Klassiker die geografischen Himmelsrichtungen. "Im Westen regnerisch, im Süden heiter, in der Mitte bedeckt etc.". Eine klar definierte Abgrenzung, wo der Westen aufhört und die Mitte beginnt, wie weit der Nordwesten landeinwärts reicht, ob München zum Süden oder Südosten (oder zu beiden Regionen) gehört, ist nicht eindeutig definiert. Dasselbe würde sehr wahrscheinlich auch eine öffentliche Befragung ergeben. Die Meteorologen machen sich diese Unschärfen häufig zunutze, weil sie dadurch sehr schön die natürlichen Unsicherheiten der Vorhersage "kaschieren" können. Vor allem bei mittelfristigen Prognosen über mehrere Tage ist das der Fall, während man bei kurzfristigen Vorhersagen öfters auch zu detaillierten geografischen Begriffen zurückgreifen kann (z.B. "zwischen Ostsee und Erzgebirge" statt "Osten" o.ä.). Die Toleranz der Geografie hat natürlich auch seine Grenzen. Wenn es im Wetterbericht also heißt "im Westen aufkommender Regen" und die ganze "Chose" erreicht tatsächlich eine Linie Görlitz-Berlin, dann ist irgendwas schief gelaufen.
 

Gerne wird auch immer mal wieder angefragt, wie weit das "Nordseeumfeld" oder die "Alpennähe" reichen. Nun, auch dort gilt das Unschärfeprinzip. Beim Beispiel "Nordseeumfeld" Aurich und Wittmund ja, Bremen und Delmenhorst eher nein. Zu den unscharfen Adjektiven in den Wetterberichten gehört z.B. die Kaskade "vereinzelt, gebietsweise, verbreitet". Damit soll lediglich zum Ausdruck gebracht werden, welche räumliche Ausdehnung ein bestimmtes meteorologisches Ereignis (z.B. Regen) einnimmt, nicht aber, wo genau es auftritt. Vereinzelt Regen meint, dass der Regen punktuell auftritt, während gebietsweise etwa eine Region wie das Emsland oder Ostfriesland beschreibt. Verbreitet wiederum heißt, dass vielleicht 80 oder 90% der Fläche eines Landes betroffen sind.

Abschließend noch ein paar Gedanken zum Thema "Subjektivität". Immer mal wieder hört oder liest man im Wetterbericht etwas von "freundlich" oder "zunehmend freundlicher". Auch der Ausdruck "...bei angenehmen 20 bis 25 Grad" oder so ähnlich kommt immer mal wieder vor. Sowohl freundlich als auch angenehm sind subjektive Begriffe, die eigentlich - so hat man es zumindest gelernt - ein Meteorologe nicht in seinen Berichten verwenden sollte. Der Wetterbericht soll Fakten rüberbringen, und ob das Wetter als freundlich oder die Temperaturen als angenehm empfunden werden, obliegt dem Nutzer und Konsumenten von Wetterberichten selbst - soweit okay. Aber, erstens ist der Meteorologe auch nur ein Mensch, der das Wetter nicht nur verwaltet, sondern auch empfindet und diese Empfindung ein bisschen zum Ausdruck bringen möchte. Und zweitens bietet es sich manchmal förmlich an, die genannten Ausdrücke zu verwenden. Oder wie würden Sie es sehen, wenn nach tagelangem Dauerregen im Juli endlich mal wieder die Sonne zum Vorschein kommt oder nach einer mehrwöchigen Hitzeperiode mit über 30 Grad "nur" noch Werte um 23 Grad auftreten?

dwd/öt

 

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