Wetter im Mai 2017: Wonnemonat oder eher ein "Tonnemonat"?

- Kai Zorn
Wetter im Mai 2017: Wonnemonat oder eher ein "Tonnemonat"?
© dpa
Die Trockenheit in Deutschland bleibt auch im Mai 2017 ein großes Wetterthema.

Der Wettertrend für den Mai 2017 verspricht aktuell nur wenige Tage mit 20 Grad oder mehr. Aber ist das alles nicht ganz normal? Kai Zorn blickt voraus.

In knapp unter 10 Minuten ist der "Böögg" abgebrannt, genauer gesagt in 9 Minuten und 56 Sekunden. Beim Böögg handelt es sich um das Züricher Sechsläuten. Es verbindet diverse Brauchtümer. Der Böögg war ursprünglich mal eine vermummte Schreckgestalt, deren Bezeichnung in Zürich seit dem 15. Jahrhundert belegt ist. 

Böögg in der Schweiz ein Brauch zur Sommerprognose

Der Böögg ist mit Knallkörpern gefüllt und wird angezündet. Und je schneller der Böögg verbrennt, desto schöner wird der Sommer - vereinfacht gesagt. Und knapp 10 Minuten sind schnell. Im vergangenen Jahr brauchte der Böögg fast eine Dreiviertelstunde. Ähnlich lang - mit rund 40 Minuten - dauerte es 1988 und 1970. Diese Sommer brachten nur Durchschnittskost. Der Sommer 2016 war bis zur Mitte (in der Schweiz) richtig mies: Nass, regenreich und kühl bis kalt, ehe der Sommer 2016 in der 2. Hälfte voll aufdrehte.

In den Hitzesommern 2015 und 2003 brauchte der Böögg knapp 21 bzw. knapp 6 Minuten. Nach der Sage war das also zumindest 2003 mit dem Hitzesommer klar ;). Aber es finden sich auch andere Bööggs, die schnell abgefackelt waren: In 1996 waren es 8 Minuten und der Sommer war nix. In Deutschland war es übrigens der letzte wirklich schlechte Sommer - zumindest aus der Sicht eines langjährigen Mittels. Auffällig kurz war das Abbrennen auch 1974. Seinerzeit war nach 5 Minuten und 7 Sekunden Schluss. Der Sommer war gruselig und für heutige Verhältnisse unvorstellbar schlecht und kalt mit 15,5 Grad im Mittel in Deutschland. 

Der letzte derartige "Gruselsommer" 1987 fröstelte mit 15,4 Grad in die Statistik ein und war der letzte wirklich kalte Sommer bei uns. Im August 1987 gab es sogar Frost und Reif und die Fachzeitschrift für Wetter, Gesundheit und Gedöns mit den 4 Buchstaben titelte: "Kommt eine neues Eiszeit?". Danach kam der Temperatur-Sprung nach oben...

Wie wird das Wetter im Sommer 2017 in Deutschland?

Zurück zum Böögg. Der sagt also, dass der Sommer schön wird.

und bis vor einiger Zeit meinten das auch Ivo und ich  Und nun muss ich gestehen: Es machen sich erste Zweifel breit. Das Jahr 2017 begibt sich gerade auf andere Wege...

Wir haben hier in der Schriftform die Möglichkeit, diversen Wetterdingen wesentlich tiefer auf den Grund zu gehen als in den Videos. Warum macht sich eine gewisse Skepsis bei mir breit?

1. Das Mäandrieren der Wetterlagen. Wir sind nach der größeren Wärmephase, die im Februar begann und mit einem neuen März-Rekord ihren Höhepunkt erreichte und sich bis ins erste April-Drittel wärmenderweise hangelte, nun in die "Gegenbewegung" gekommen. Und entgegen vieler Meinungen diverser Informationsquellen wird der Mai erst einmal nicht so toll losgehen und die von vielen geforderte und gewünschte Wärme wird ausbleiben. Klar, es wird wärmer, aber nicht wonnig - zumindest nicht über einen längeren Zeitraum. (Dazu später mehr.)

Das Mäandrieren kommt gerne in kälteren Zeiten vor und ist für Extreme gut. Solch eine mäandrierende Lage hatten wir beispielsweise zwischen Mai und August 2010. Erinnern Sie sich? Erst kam der schloddrige Mai, dann zur Sommersonnenwende noch mal Schnee bis unter 2000 Meter Höhe und - fupp - da kam sie, die große Hitze von Ende Juni und der feurige Julei. Im August war's vorbei und das Geschlodder war zurück. (Das würde recht gut übrigens zur NOAA-Prognose passen.)

2. Die Statistik. Es gibt in der jüngsten Klimageschichte zwei Vergleichsjahre, die einen ähnlichen Verlauf hatten: 1903 und 1938. War im Jahre 1903 der Januar recht kalt und der Februar mild, so war es 1938 umgekehrt, wobei keine der genannten Wintermonate wirklich kalt war. Der März war jeweils weit überdurchschnittlich warm und der April kälter als der März. Ich muss aber dazu sagen, dass die April-Monate 1903 und 1938 wesentlich kälter waren als der heurige April!

Die Sommer im Anschluss waren statistisch mäßig, hatten aber jeweils einen "netten Kern" (!!!) = wir sprachen schon über den möglichen schönen Kernsommer! Der Juni 1938 war übrigens auch recht gut.

Die Statistiken sind das eine, die Großwetterlagen das andere. Die jeweiligen April-Monate der genannten Jahre haben eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Wetterlagen derzeit. Damals ging das mit den kalten Lagen einfach nur früher los als in diesem Jahr. Bezeichnend war seinerzeit eine gewisse Dominanz von Hochdrucklagen nördlich und nordwestlich von uns, die sich immer und immer wieder wiederholten. Im Sommer positionierten sich die Hochs auch mal anders, doch für dauerhaft warme oder heiße Lagen hatten die Hochs jeweils den falschen Platz - ähnlich wie 2017.

3. Die letzten CFS-Läufe. Das CFS-Wettermodell rechnet rund 9 Monate im Voraus. Dieses Berechnen darf man weder für bare Münze nehmen noch darf man das abkupfern, aber Trends lassen sich draus ableiten. Es ist "das Lesen zwischen den Zeilen". Und da steht seit einiger Zeit immer und immer wieder: Die Hochs liegen selten dauerhaft über uns, südlich von uns oder östlich von uns, so dass es über einen längeren Zeitraum (viele Wochen oder Monate) keine Kombination aus großer Wärme/Hitze und Trockenheit geben wird. Die Hochs liegen gerne nördlich, nordwestlich und westlich sowie vorübergehend über uns.

Trockenheit in Deutschland bleibt ein Thema

Damit schlösse sich der Kreis des Bööggs übrigens, denn: Strenggenommen sagt der Böögg nicht, ob der Sommer heiß oder kalt wird, sondern nur trocken oder nass. Und 2016 folgte ein nasser Sommer (in der Schweiz und im Südwesten Deutschlands) und 2003 folgte ein trockener Sommer. Und Trockenheit ist in weiten Teilen Deutschlands ein großes Thema, das im Schatten von Kälte, gefühltem Dauerregen und Monsterschneefällen in den Alpen völlig untergeht!

Das NOAA sieht beispielsweise den Mai trocken, den Juni recht trocken, den Juli recht trocken und den August eher nass. Mit der Lage der Hochs könnte das unterm Strich ein phasenweise schöner, nicht allzu heißer und regional ein (gefährlich) trockener Sommer werden, zumindest bis Ende Juli/Anfang August. 

Denken wir dran: Ein sehr warmer Sommer muss nicht schön sein - siehe 2002 und ein nicht allzu warmer Sommer muss nicht schlecht sein (kommt aber nicht so oft vor).

Blick in die Wettergeschichtsbücher

Es wird die Frage bei den stark Interessierten aufkommen: Was folgten eigentlich an Sommern und Wintern danach? Nach 1903 folgten durchschnittliche Sommer und Winter mit einem guten Sommer 1905 und einem recht kalten Winter 1907. Erst mit dem Mildwinter 1910 ging die Durchschnittskost zu Ende und der Sommer 1911 war, für damalige Verhältnisse, ein Spitzen-Sommer. 

Nach 1938 folgte noch mal ein Jahr Durchschnittskost, ehe die Serie der strengen Kriegswinter begann, die im Mildwinter 1943 endete. Die Sommer waren durchschnittlich, wobei die 1940er Jahre ein paar gute Sommer brachten und einen heißen Dürre-Sommer 1947.

Eine solch exorbitant kalte Phase wie zu Kriegszeiten möchte ich angesichts des aktuellen Klimaspuks ausschließen. Eine längere Phase mit moderateren Temperaturen ohne neue Wärmerekord-Jagd halte ich jedoch, auch angesichts des aufkommenden Sonnenflecken-Minimums, für wahrscheinlich. 

Wetter im Mai 2017 doch nicht so warm wie mal berechnet

Kommen wir vom historischen Klima-Exkurs zurück ins Hier und Jetzt. Die Modelle lassen Federn für den Mai. Vom ECMWF über das GEM bis hin zum GFS wird "runterkorrigiert", was das Zeug hält. Vor kurzem sah es noch nach einem satten Frühsommer-Block Anfang Mai aus, bei dem locker 25 bis 30 Grad an den wärmsten Tagen möglich gewesen wären, so verharren die Temperaturen jetzt oft unter der 20 Grad-Marke. Die 20-Grad-Marke wird schon überschritten - sowohl an mehreren Tagen in Folge als auch in einigen Teilen Deutschlands. Flächendeckend sind jedoch mehrere Tage am Stück für ganz Deutschland mit 20 Grad plus x derzeit nicht in Sicht.

Wetterlage-Trend-zu-den-Eisheiligen

Die "Drohgebärde Eisheilige" wie ich es in meiner Video-Kolumne genannt habe, bleibt davon absolut unberührt. Ungeachtet des modellierten Gehampels in den Wetterkarten für Anfang Mai zeigen sich die Modelle für den Zeitraum nach dem 5. Mai unbeirrt: Hoch Island/Grönland/Nordatlantik - Tief Nordmeer/Nordeuropa. Es macht derzeit den Anschein, als wären die Detail-Fragen ungeklärt, nicht aber das Ob.

Kommt die Kälte von Norden nach Westeuropa?

Bei den Detail-Fragen ginge es grob darum: Flutscht die Kälte von Norden nach Westeuropa oder auf den äußersten Osten des östlichen Nordatlantiks, dann könnten wir in eine Grenzwetterlage kommen mit einer nicht allzu fiesen Abkühlung. Käme die Kälte direkt von Nord nach Süd zu uns, stünden Schnee bis (unter) 1000 Meter Höhe und Nachtfrostgefahr wieder auf dem Programm. (Ein für Fauna und Flora in Mitteleuropa zwar unbeliebter, aus der Klimageschichte heraus jedoch völlig normaler Vorgang, den uns die seit gut 3 Jahrzehnten währende Warmzeit recht entwöhnt hat.)

Wetterlage-Anfang-Mai

Zusammenfassend kann man sagen: Der große Wurf steht bis auf weiteres nicht an. Im Schatten der großen Regen- und Schneefälle rund um den Alpenraum bis Freitag mit 100 bis 250 Litern Niederschlag pro Quadratmeter fehlen ergiebige (Dauer)Regenfälle besonders in der Mitte. Hier herrscht nach wie vor eine große Trockenheit und die klimatische Wasserbilanz für das aktuelle Frühjahr zeigt rund um die Pfalz und am Oberrhein ein Defizit von mehr als 50 Liter Wasser pro Quadratmeter. 

Ähnlich trocken sieht es in Mittelhessen, im westlichen Franken, im bayerischen Schwaben, im nördlichen NRW sowie vom Thüringer Becken über Sachsen-Anhalt und Brandenburg aus. Ausgeglichene Verhältnisse haben wir im äußersten Norden, in den Mittelgebirgen und am Alpenrand; hier gibt es teilweise einen Überschuss aktuell. In den kommenden Tagen wird der Überschuss im Süden rapide zunehmen.

Klimatische-Wasserbilanz-fruhling

Trockenheit in Deutschland wird nur unterbrochen

Auch wenn mit den letzten Modellberechnungen die Niederschlagssummen deutschlandweit nach oben korrigiert wurden, so wird die Trockenheit nicht beendet, sondern nur unterbrochen werden, sollte keine tiefdruckgeprägte und nasse Mai-Phase kommen. Der massive Überschuss im Süden wird oberhalb von rund 1000 Meter Höhe gespeichert und in den nächsten Wochen mehr oder weniger flott an die Flüsse abgegeben. Angesichts der Luftmassen-Temperaturen halten die alpinen Hochlagen über 2000 Meter Höhe das Wasser in Form von Schnee noch gespeichert.

Die zahlreichen und ergiebigen Schneefälle in den Alpen sind, rein vom Wasserhaushalt her gesehen, ein großer Segen und Glücksfall - sowohl für die Gletscher als auch für unsere Flüsse, besonders auch für den Rhein! Das freudige Rumwandern oder Moutainbiken auf schneefreiem Gelände in mittleren und hohen Lagen ist natürlich nicht möglich oder saugefährlich! Das ist normalerweise um diese Jahreszeit auch so üblich, vor allem nach schneereichen Wintern. Das Kuriose in diesem Jahr ist jedoch: Bis zur eintrudelnden Kälte waren die Alpen schon bis weit rauf schneefrei und trocken wie spät im Frühjahr bzw. Sommer. Dafür hatte die große und anhalten Wärme von Februar bis Anfang April gesorgt.

Wir sind kühlere Temperaturen nicht mehr gewohnt

Übrigens: Dem aktuellen Frühjahr ereilt jetzt, Ende April, dasselbe Schicksal wie dem vergangenen Herbst Ende Oktober. In der von fast allen Seiten "ich will Sonne-, ich will Wärme-"Schreierei ging völlig unter, dass wir nach dem wärmsten September seit 1761 auch den wärmsten März seit 1761 hinter uns haben und dass weder der Oktober 2016 noch der April 2017 im Schnitt extrem kalt waren. Wir sind das einfach nur nicht (mehr) gewohnt. 

Und das Fatale für die Natur ist: Auch die hat sich durch die 3 warmen Jahrzehnte an ein "früheres Aufstehen und an ein späteres Zubettgehen" gewöhnt und treibt einfach viel früher aus, besonders dann, wenn das blaue Band des Frühlings früh und warm flatterte. Aber die kühlen Temperaturen jetzt sind bestimmt keine Ausnahme. Das gab es schon immer und vor unserer Warmzeit nicht im April, sondern regelmäßig im Mai - denn: Wie sagt doch so schön eine Bauernregel - "Mitte Mai ist der Winter vorbei!"

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