Wärmerwärts oder noch mal Kälte-Terz?

- Kai Zorn
Wärmerwärts oder noch mal Kälte-Terz?
© dpa
Badezeug oder Übergangsjacke?

Einige von Euch möchten im Mai schon grillen und abends im T-Shirt draußen sitzen. Tja, nur das Ganze hat einen "Casus knacksus", wie Kai Zorn zu berichten hat.

Es gehen derzeit in WhatsApp-Gruppen oder bei Facebook die schrägsten Sprüche rum. So erhielt ich am 5. Mai (!!!) Ein Bild, auf dem drauf steht: „Und was macht ihr diesen Sommer?“ „An diesem Tag wollten wir grillen.“ Das hätten wir im Sommer 1987, 1984 oder in den Sommern 1977 bis 1981 so formulieren können - vielleicht mal während der Hochsommerzeit, aber Anfang Mai?

Von einem Radiomoderator bekam ich allen Ernstes die Frage - noch mal zur Erinnerung, wir haben Anfang Mai: „Wann ist es denn endlich warm genug um abends im T-Shirt lange draußen sitzen zu können?“

Und zu guter Letzt kommen in der vergangenen Zeit die Aussagen, dass kein „Verlass mehr auf den Klimawandel“ sei.

So, das ordnen wir bitte jetzt mal alles ein: Erstens leben wir in Mitteleuropa, in Deutschland, nördlich der Alpen, in einer gemäßigten Klimazone. Zweitens haben wir, wie mehrfach angedeutet, Mai - und da ist es völlig Wurscht, ob wir Anfang, Mitte oder Ende Mai haben. Draußen-lang-rumsitz-Temperaturen sind für den Hochsommer vorgesehen, nicht für das Frühjahr, wozu der Mai nämlich noch gehört! Die kalendarisch-klimatisch besten Zeiten für das lange draußen Sitzen sind in der Regel zwischen Mitte/Ende Juni und Mitte/Ende August.

Und dann wäre da noch die Frage mit dem „Klimawandel“. Ich möchte das Wort Klimawandel eher abändern in Klimaschwankung. Diese gab es schon immer und die wird es auch immer geben. Dass der Mensch unverhältnismäßig und völlig hirnlos in der Natur rum fuhrwerkt steht außer Frage. Schauen wir uns mal kurz die Fakten an: In den vergangenen 30 Jahren sind die Temperaturen ordentlich nach oben geschnellt; wir sprachen schon einmal darüber. Wir haben den wahrscheinlich wärmsten 30 Jahres-Zeitraum seit gut 800 Jahren hinter uns gebracht.

Nun ist es aber so: Selbst in den kältesten Phasen der Kleinen Eiszeit gab es kurze Episoden mit trocken-heißen Sommern und Winterausfällen. Und während des Mittelalterlichen Wärmeoptimums (eine Zeit, in der es ähnlich warm oder wärmer war als heute) gab es verregnet-kalte Sommer und extrem kalte Winter.

Das Eine schließt das Andere nicht aus, nur die Wahrscheinlichkeiten ändern sich. Während einer warmen Zeit sind kalte Phasen nicht so häufig, nicht so lang und nicht so intensiv und umgekehrt.

Wärmste Phase ist vorbei

Und so haben wir eine für Wärmeliebhaber schlaraffenartige Zeit (hinter uns). Warum vielleicht hinter uns? Wir erleben gerade ein paar schon länger nicht mehr da gewesene „Korrekturen“ bzw. „Rückschritte“. Die wärmste Phase der vergangenen 30 Jahre hatten wir grob zwischen 1998 und 2008. In diese Phase fallen der heißeste Sommer sowie der wärmste Herbst, der wärmste Winter und das wärmste Frühjahr seit mindestens 1761. Ein paar Monatsrekorde gab es auch wie Oktober 2001, Juni 2003, Juli 2006 und Januar 2007. Dass es sich hier um Wärmerekorde handelt ist wohl selbstverständlich ;).

Von 2008 bis 2014 gab es keine neuen Monatswärmerekorde mehr. 2014 stellte für Deutschland jedoch mit 10,3 Grad einen neuen Jahresrekord da. Wärmer war allerdings der 12 Monats-Zeitraum von Juli 2006 bis Juni 2007 mit über 11 Grad - aber eben nicht Kalenderjahr.

Ab 2015 gab es dann wieder ein paar Monatsrekorde wie November und Dezember 2015, September 2016 und März 2017.

Diese ganzen Rekorde von Wärme, gepaart mit Trockenheit und Sonne ohne Ende sind immer sehr schnell vergessen, wenn das Pendel mal in die andere Richtung schlägt. Und das Pendel schlug seit 2009 öfter mal wieder in die andere Richtung. Denken wir an den kalten Winter 2009/10. Unsere Vorfahren würden sich kaputt lachen und den Winter als „lind“ ansehen, doch in unseren Zeiten war das kalt, ebenso der kalte Dezember 2010. Unlängst erlebten wir Rückschläge wie lange nicht. Die Kälte Ende April 2016 und im April 2017 sind schon ein paar herbe Kaliber, die wir länger nicht mehr hatten.

Aber auch das gehört zu uns, zu unserem Klima, zu unseren Breitengraden und vor allem zur Jahreszeit. Das besonders Fatale des massiven Einbruchs ab Mitte April 2017 war die Vorgeschichte. Sonne und Wärme verwöhnten uns von Mitte Februar bis in die erste April-Dekade. Die Natur gab Gas und dann folgte der Dämpfer. Umgekehrt wäre das für alle Beteiligten sicherlich besser gewesen: Kalter und schneereicher Februar, kalter und schneereicher März, Erholung im April.

Noch ein Wort zur Erwärmung bzw. zur Stagnation dieses Jahrzehnts: Während Januar, März und August sowie die Monate September bis Dezember zwischen 2011 und heute leicht bis mäßig zugelegt haben, sind Februar, April, Mai, Juni und Juli einen Tacken kälter als im vergangenen Jahrzehnt. Der Jahresschnitt liegt aktuell bei 9,5 Grad. Im Vorjahrzehnt (2000er Jahre) waren es 9,2 und in den 1990er Jahren 8,9 Grad. Beide Jahrzehnte hatten übrigens jeweils ein (sehr) kaltes Jahr. In den 1990ern war das 1996 mit 7,2 und in den 2000ern 2010 mit 7,9 Grad. (Die 1980er Jahre mit 8,5 Grad hatten übrigens 4 kalte Jahre in Folge mit 8,0 bis 7,4 Grad zwischen 1984 und 1987.) Ein kaltes Jahr in diesem Jahrzehnt wäre also mal wieder (über)fällig. 2017 wird sich damit schwer tun mit seinem milden Februar und seinem rekordwarmen März.

Da müsste der Sommer schon einen Totalausfall der Marke 80er oder 70er Jahre aufs Parkett legen, einen kalten Gammelherbst hinten dran bauen und einen kalten Frühwinter im Dezember einläuten. In der aktuellen Klimaepoche eher unwahrscheinlich, aber möglich...

Derzeit liegen wir in 2017 klimatisch noch satt im Plus. Der kalte Januar und der milde Februar gleichen sich in etwa aus, der April ist mit einer Punktlandung neutral und der März hievt mit seinem satten Plus den Schnitt nach oben. Da wollen wir doch mal gucken was der Mai vorhat. Ginge es nach dem Hauptlauf des GFS, würde der Mai mit einem leichten Minus abschließen, ginge es nach ECMWF käme ein leichtes Plus heraus. Dazu gleich mehr.

Aktuelles aus dem NOAA-Modell

Bevor wir uns die aktuelle Situation anschauen kurz ein Blick auf das aktuelle NOAA-Modell. Da lässt die Wärme weiter Federn. Der Mai brächte es allenfalls auf eine schwarze bis blaue Null. Das Plus des Junis und des Julis wurde weiter abgebaut und von August bis Oktober befänden wir uns nach NOAA in der Farblosigkeit des Durchschnitts. Das besonders Prekäre wäre jedoch die Nässe. Während Juni und Juli an den Küsten trocken wären, gäbe es im Binnenland, besonders alpenwärts Nässe ohne Ende. August, September und Oktober wären dann deutschlandweit im Schnitt bzw. zu nass. (Erinnern Sie sich an die Sommereinschätzungen von Ivo und mir noch aus dem vergangenen Jahr? Da sagten wir: Erste Sommerhälfte an den Küsten schön, im Binnenland nass; zweite Sommerhälfte umgekehrt.)

NOAA-Juni

Nach den Niederschlagssimulationen für den Juni dürfte es zwischen Nordspanien, Südfrankreich über Nord- und Mittelitalien, durch den Balkan bis Griechenland rüber sowie im gesamten Alpenraum ein hohes Unwetterpotential geben! Dazu an anderer Stelle mehr.

Die Maiprognose

GFS

Zurück zum Mai. Der Hauptlauf des amerikanischen GFS-Modells simuliert für die 3. Mai-Dekade immer und immer wieder den Durchbruch von kalter Nordmeerluft mit einem Tief und einer Luftmassen-Temperatur von unter null Grad in 1500 Meter Höhe. Am Montag haute das Modell einen Lauf heraus mit Sturm, Regen und einstelligen Temperaturen um den 23. Mai. Andere Läufe der Ensembles (15 Tage-Trends) zeigten für denselben Zeitraum 25 bis 30 Grad und Sonne mit ein paar Gewittern. Am Dienstag stehen sich das europäische ECMWF-Modell und das amerikanische GFS-Modell konträr gegenüber. Das ECMWF lag in den vergangenen Wochen in der erweiterten Mittelfrist immer gut. Es sah den Schnee im April, zu Ostern und den Frost im Mai.

ECMWF

So wie der Hauptlauf des GFS mit seiner kalten Lösung recht alleine da steht, tut es der Hauptlauf des ECMWFs ebenfalls mit seiner warmen Lösung. Es wird wohl auf eine Art Mittelweg hinaus laufen. Und die könnte wie folgt aussehen:

Nach dem tiefen Tal aktuell gibt es einen ordentlichen Temperatur-Sprung nach oben. Von Donnerstag bis über das Wochenende hinaus bestimmen mäßig warme bis warme Luftmassen unser Wetter. Vergleichen mit aktuell wird es deutlich wärmer, verglichen mit den Erwartungen Vieler wird das eher mäßige Kost. Die Tageswerte werden sich im groben Schnitt zwischen 15 und 25 Grad bewegen. Dazu wechseln sich längere sonnige Phasen und mal mehr, mal weniger Wolken ab. Immer wieder kommt es zu Schauern und Gewittern; nicht immer, nicht überall, mal mehr, mal weniger häufig. Der Gesamteindruck wird auf jeden Fall wesentlich freundlicher und die kalten Nächte sind passé.

Mit dem Beginn der neuen Woche baut sich voraussichtlich ein Hoch auf. Das Schauer- und Gewitterrisiko geht zurück und es folgen ein paar trockene Tage. Die Höchstwerte erreichen grob zwischen 17 und 25 Grad, in den Nächten sind es 12 bis 5 Grad.

Der Casus knacksus liegt ab Mitte der kommenden Woche beim Azorenhoch. Das kehrt an seine ursprüngliche Stelle zurück und fungiert dann wieder als Steigbügelhalter für Tiefs, die wiederum Richtung Mitteleuropa ziehen wollen. Das ECMWF ließe dieses Tief vor den Toren Europas nach Süden ziehen. Es würde das sich bis dato über Mitteleuropa aufgebaute Hoch stützen und ein frühsommerliches Flair auslösen. Das ECMWF ließe das Tief Richtung Mitteleuropa voran kommen und mit einer Nordwest- bis Nordströmung erneut feuchte Polarluft zu uns transportieren.

Wir können also zum Verlauf des Mais ab Mitte der kommenden Woche leider keine eindeutige Richtung feststellen. Trendmäßig wird es im Süden Deutschlands mit überdurchschnittlichen und im Norden Deutschlands mit durchschnittlichen Werten weiter gehen. Wenn dem so wäre, würde das „Minus“ des Mais rasch abgebaut und am Ende hieße es wieder, der Mai war im Schnitt oder sogar leicht zu warm. Und dann heißt es von einigen auch wieder: „Die Spinnen, die Wetterfrösche!“ ;)

Aktuell schlägt der Mai mit einem Minus von 2,5 Grad zu Buche. Bereinigt man das Ganze auf die erste Mai-Dekade, so sind wir eigentlich mehr im Schnitt als im Minus - Mai halt. Unterirdisch ist nur die Sonnenscheindauer der ersten 8 Tage. Da wurde gerade mal ein Achtel erreicht. Und die Sonne ist oft wichtiger als die Temperatur. Das ergibt sich aber bald :).

"Spinnereien" zum Schluss

Kommen wir noch mal kurz auf das „Spinnen“ zurück. Die Kolumne wäre an sich jetzt zu Ende, aber: Es gibt etliche Fragen von Euch und Ihnen über den weiteren Jahresverlauf und über den kommenden Winter (also Sommerprognose, Herbstprognose, Winterprognose). Das wäre eine eigene Kolumne wert und die wird es bald auch in schriftlicher Form geben - nur so viel: Wir befinden uns gerade in einer Epoche der Normalität und sind aus der Wärmeepisode von 2013 bis 2016 draußen. Schaut man sich die langfristigen Entwicklungen von NOAA und CFS an, dann steht uns die beste Zeit des Jahres rund um den Kernsommer bzw. Frühsommer bevor. Da der Herbst auch „normal“ berechnet und gesehen wird, deuten sich weder monsunartige Regenfälle ohne Sonne an, ebenso wenig eine Wiederholung vom Super-September 2016. Tendenziell wechselhafte und phasenweise normal temperierte Jahre sind dann wiederum ein guter Nährboden für eher durchschnittliche bis kälter angehauchte Winter. Die Wahrscheinlichkeit eines Winters, der sich um das Mittel der Jahre 1961/90 herum bewegt ist nach momentaner Sicht am höchsten.

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