So entwickelt sich der deutsche Sommer!

- Kai Zorn
So entwickelt sich der deutsche Sommer!
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Die deutschen Sommer schwanken seit Jahrhunderten. Kai Zorn ist dem Sommer 2017 auf der Spur.

Ein Großwetterlagenwechsel bahnt sich an. Welche Folgen hat dieser und was hält der Sommer für uns noch bereit? Kai Zorn analysiert den deutschen Sommer.

In der vergangenen Woche, als es Ende Mai so heiß war, machte ich mit Sonnenmilch eingeschmiert und Cappy einen längeren Spaziergang über Feld und Wiese, hauptsächlich aber durch Wald. Vom Flair her war das August mit sengender Sonne, stehender Hitze und an den Straßenrändern war es durch vertrocknete Gräser und Blumen welk-braun. 

Das meteorologische Frühjahr brachte neue Rekorde

Mit diesen heißen Mai-Tagen verabschiedete sich ein meteorologisches Frühjahr, das uns knapp 5 Wochen kühle bis kalte Temperaturen brachte und etwas mehr als 7 Wochen warme bis heiße Werte samt neuen Rekorden. So schloss das Frühjahr viel zu warm ab; 1,9 Grad waren es im Vergleich zum Mittel 1961/90 und 0,7 Grad zwischen 1988 und 2017, also im aktuellen 30 Jahres-Vergleich. Das ist viel. Außerdem war das Frühjahr, deutschlandweit gemittelt, zu trocken und zu sonnig. 

Unlängst las ich in einem Wetterforum, dass sich dort ein paar Personen für den Sommer den "Ausgleich" vom Frühjahr wünschen. Jetzt könnte man meinen, die Personen würden sich Kühle und Regen wünschen. Nein, sie wünschen sich einen Ausgleich im Sommer für das "kalte Frühjahr" mit einem Jahrhundert-Sommer der Güteklasse 2003...

Entweder wurde vom falschen Strauch geraucht oder aber manche haben nicht verstanden, dass wir in Deutschland, in Mitteleuropa leben. Nordafrikanische Sommer der Marke 2003 sind für Mitteleuropa die Ausnahme, nicht die Regel. Und wenn wir den Golfstrom nicht hätten, sähe es bei uns noch einmal anders aus: Da gäbe es Tundra und ein durchschnittlich-deutscher Sommer wäre dann ein Jahrhundert-Ereignis.

Was ist ein deutscher Sommer?

Was ist denn ein deutscher Sommer? Heinrich Heine pflegte zu sagen: "Unser Sommer ist nur ein grün angestrichener Winter, sogar die Sonne muss bei uns eine Jacke von Flanell tragen, wenn sie sich nicht erkälten will."

Zu Heinrich Heines Lebzeiten gab es nur ganz wenig gute Sommer; in seiner Kindheit nur zwei, nämlich die Sommer 1807 und 1808. 1807 brachte sogar den heißesten August (20,7 Grad) seit 1761 - bis heute ungebrochen. Er erlebte jedoch auch "das Jahr ohne Sommer“ 1816 mit einer Durchschnitts-Temperatur von sage und schreibe 14,1 Grad. (Zum Vergleich: Der jetzige Juni brachte in seinen ersten 6 Tagen ein Mittel von 16,7 Grad!)

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lagen die Sommertemperaturen in Deutschland in den jeweiligen Dekaden zwischen 15,8 und 16,4 Grad. 

Das Mittel aus den Jahren 1961/90 beträgt 16,3 Grad, das von 1761 bis heute ca. 16,4 Grad. Das ist vom Temperatur-Mittel her ein typisch deutscher Sommer! In der Regel gab es am Rande des Azorenhochs nur schmale Sommerkost mit Wolken, Wind, Regen, sonnigen Phasen und recht kühlen Temperaturen. Hitzewellen waren weniger lang und weniger häufig vorhanden als heute. 

Der deutsche Sommer von heute sieht anders aus. In den 1990er Jahren schnellte das Mittel auf 17,1; in den 2000er Jahren sogar auf 17,6 Grad. Im aktuellen Jahrzehnt liegt es bei 17,5 Grad. Seit 1990 gab es 6-mal einen Sommer mit einem Mittel von 18 Grad plus x. Zu Heinrich Heines Lebzeiten geschah das nur 3-mal. 

Klimaschwankungen: Extremer Sommer oder Totalausfall? 

Übrigens: Die Sommer, oder die deutschen Sommer, schwanken seit Jahrhunderten ohnehin stark. Je nach Klimaepoche finden wir Dekaden, die sonnig, trocken und sehr warm waren und Dekaden, in denen die Sommer nahezu einen Totalausfall nach dem anderen brachten. So gab es während der Kleinen Eiszeit auch Episoden, in denen die Sommer so waren wie derzeit und in der modernen Warmphase von heute brachten die 1970er Jahre diverse Totalausfälle. Da kann Rudi Petrus was vorsingen!

Das Jahrzehnt zwischen 1750 und 1760 war übrigens ähnlich warm in den Sommern wie die vergangenen Jahre. Allerdings waren die Winter hier bedeutend kälter, ebenso die Frühjahre und Herbste.

Ordnen wir den deutschen Sommer mal ein: Das obere Ende stellen 2003 und 1540 dar, das untere Ende unter anderem 1816. in diesem Bereich schwingen wir. Und summa Summarum schwingen wir derzeit (noch) im ober(st)en Drittel der mitteleuropäischen Möglichkeiten. Ich persönlich vermute, dass das Mittel - nicht nur der Sommer - in den kommenden 2 Jahrzehnten ein bisschen nach unten geht...

Das heißt: Den ewigen Nörglern über unsere Sommer sei gesagt: Entweder die Erwartungen werden nach unten geschraubt oder ihr habt falsch inkarniert ;). 

Bringt die vergangene Hitzewelle einen nassen Sommer?

Kommen wir zurück zu den letzten Mai-Tagen und den ersten Juni-Tagen. Der Mai-Spaziergang mit sengender Hitze und den Austrocknungen am Straßenrand brachte mir ein mulmiges Gefühl: Wir sprachen schon mal darüber; wenn der Sommer zu früh und zu heftig kommt, kackt er später ab - nicht immer in der Gänze, doch die Wahrscheinlichkeit eines weniger heißen und eher nassen Sommers ist damit erhöht.

Kai-Kolumne-Mai-Juni_1

Apropos nass: Einen nahezu ähnlichen Spaziergang wie jüngst zur Hitzewelle machte ich unlängst bei 10 Grad, Wind und Regen. Nun kam mir jedoch keine sengende Hitze entgegen, sondern Enten, die halb watschelten, halb schwammen. Ich finde, um über das Wetter zu reden und es zu prognostizieren und verstehen, musst du raus! Leider gibt es inzwischen viele (Kollegen), die auf das Handy oder in den PC schauen, wie das Wetter ist...

Das Wetter in den kommenden Tagen

Wie ist das Wetter denn in der nächsten Zeit? Nach dem Sturm durch Tief INGRABAN bleibt es in den kommenden Tagen vor allem in der Nordhälfte recht windig. Am Sonntag ist auch hier der Wind weg. Nach der kurzen Erholung mit Wärme und vor allem im Süden auch viel Sonne am Donnerstag streift uns Tief JÖRN. Mit diesem Tief zieht am Freitag eine Front über uns hinweg. Im Nordwesten bekommen wir am Vormittag voraussichtlich ergiebige Regenfälle, sonst erwarten uns im Laufe des Tages Schauer und Gewitter. Das Ganze wird wieder eine windige Angelegenheit.

Da der Luftmassenaustausch nicht so rabiat ist und eine recht flotte Strömung herrscht, dürften uns zumindest fiese Starkregenereignisse wie zuletzt erspart bleiben. Sonst besteht natürlich immer ein gewisses Unwetterrisiko bei Gewittern. Das wird auch am Freitag so sein. Die Höchstwerte erreichen knapp 30 Grad in der Lausitz und lausige 17 Grad auf den nordfriesischen Inseln.

Am Samstag sind vor allem im Nordosten und am östlichen Alpenrand letzte Schauer unterwegs. Sonst setzt sich die Sonne durch und der Wind flaut ab. Mit rund 20 Grad an der See und bis zu 27 Grad im Südwesten ist es für die meisten sehr angenehm und wir haben keine Schwüle. 

Hitze am Sonntag

Am Sonntag wölbt sich ein neuer Wärmeberg auf Deutschland aus. Die Wetterkarten haben übrigens in den vergangenen Tagen ein ganz schönes Würfelspiel hingelegt. Ursprünglich sollte der Sonntag mal sehr heiß werden nach einer Serie von trockenen und warmen Tagen ab Donnerstag. Dann wurde die Sonntags-Hitze nahezu komplett weggerechnet und von Nordwesten wurde gleich wieder mit der Nordseefrische gemeinsame Sache gemacht und nun pendelt sich erneut eine sehr warme bis heiße Lage ein - also zurück zum Sonntag.

Von ein paar dichteren Wolkenfeldern abgesehen wird dieser besonders im Süden sehr sonnig. Die Höchstwerte staffeln sich auf um und etwas über 20 Grad an der See und auf um und knapp über 30 Grad am Oberrhein. Tendenziell haben wir im Westen die höheren Werte, in der Osthälfte ist es noch moderat. 

Am Montag entfaltet sich die Wärme bzw. Hitze dann in der Südosthälfte. Hier werden verbreitet um und über 30 Grad erreicht. Sonst zieht im Laufe des Tages eine Schauer- und Gewitterfront auf. Diese Front entpuppt sich als Kaltfront und bietet wieder ein höheres Unwetterpotential. 

GWL-17

Die Mittelfrist: Neue Großwetterlage?

Von Dienstag an bis zum Ende des Vorhersagezeitraums am 22. Juni stellt sich eine auf dem ersten Blick unscheinbare, auf dem zweiten Blick jedoch "ganz nette" Witterungsphase ein. 

GWL-22

Wer nur auf etwaige Temperaturen in 1500 Meter Höhe schielt und das ein oder andere Niederschlagssignal sieht, sieht eine wechselhafte und mäßig-warme Witterungsphase. Das wird es aber gar nicht: Wir liegen von der Großwetterlage her am Rande eines Hochs westlich von uns. Mal wandert dieses Hoch ein Stück nach Norden, dann wieder nach Süden. Die Luftmassen kommen dann in der Regel aus Nordwest, Nord, Nordost und Ost. Damit ist die Wahrscheinlichkeit für schwül-heiße Mittelmeerluft wohl größtenteils vom Tisch.

Die zu uns einströmenden Luftmassen liegen in der 2. Juni-Dekade grob zwischen 5 und knapp 15 Grad. (Es gibt wenige Ausreißer nach unten und wenige nach oben - also eine normale Streuung.)

Durch die Hoch-Rand-Lage sind die Luftmassen besonders im Westen eher trocken, im Osten ab und zu feucht. Wir können nach derzeitigen Trends grob festhalten: Der Westen bekommt mindestens zu zwei Drittel Sonne und zu einem Drittel Wolken samt Schauer. Der Osten hat das Ganze eher halb/halb, wobei der Sonnenscheinanteil hier auch überwiegen wird.  

Temperaturmäßig taumeln wir in den kühleren Phasen zwischen 17 und 23 Grad, in den wärmeren Phasen zwischen 22 und 28 Grad, jeweils plus minus wenige Grade. Die Luft ist meist ohne Schwüle und die Nächte bringen uns immer beste Luft zum Durchschlafen. Die Unwettergefahr ist niedrig. 

Für den Freund von Hitze und einem Sommer der Marke 2003 ist das unterirdisch. Verglichen jedoch mit dem typisch mitteleuropäischem Sommer gar nicht mal so schlecht, weil einfach viel Sonne dabei sein wird!

Verlockender Wettertrend mit hohem Freizeitwert 

In Sachen Freizeit und draußen Sein erwartet uns ein durchaus sehr verlockender Witterungsabschnitt. Damit wird der Start in den kalendarischen Sommer am Mittwoch in 2 Wochen, am 21. Juni um 6:23 Uhr unserer Zeit, standesgemäß sein. 

Wir befinden uns also von jetzt an bis Anfang Juli in den 4 hellsten Wochen des Jahres mit dem höchsten Sonnenstand, den längsten Tagen und den kürzesten Nächten. Der Zenit der Sonne wird also in rund 2 Wochen überschritten. Der Zenit der höchsten Temperaturen lässt sich da etwas mehr Zeit. Etwa 6 bis 7 Wochen nach der Sonnenwende erreicht die Temperatur in Deutschland ihren Höhepunkt - also ganz grob im ersten August-Drittel. 

Langfristberechnungen für den Sommer

Die aktuellen Langfristberechnungen zeigen übrigens eine Fortführung der jetzt auf uns zukommenden Großwetterlage auch in und durch den Hochsommer. Die für die meisten angenehmen Temperatur-Phasen überwiegen im Bereich der 22 bis 28 Grad. Zwischendurch bäumt sich ein Ableger des Azorenhochs über Mitteleuropa und/oder über Skandinavien auf und sorgt für heißes Badewetter, dann bricht es mit Wind und Regen von Nordwesten her wieder ein mit einer ordentlichen Abkühlung samt ein paar Regenfällen.

In den kommenden Tagen werde ich Ihnen die von den Langfristmodellen wiederholt berechneten Wetterlagen einmal vorstellen. Übrigens: Auch nach derzeitigen Trends scheint die Siebenschläfer-Regel in diesem Jahr unter den Tisch fallen zu können, denn: Glaubt man den Modellen, dann hat sich die Konstellation an Großwetterlagen bereits gefunden.

So sagt auch eine Bauernregel für den 11. Juni: "Regnet es an Barnabas, schwimmen die Trauben bis ins Fass." Oder 15. Juni: "Der Wind dreht sich um St. Veit, da legt sich's Laub auf die andere Seit". Heißt: Hier findet gerne ein Großwetterlagenwechsel statt - und genau dieser bahnt sich in der kommenden Woche an...

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