Was will uns Petrus damit sagen?

Statistisch spricht einiges für einen milden Winter. Auch Kai Zorn glaubte daran. Doch jetzt gerät seine Meinung ins Wanken.

Veröffentlicht: Di 04.10.2016 | 00:00 Uhr
Was will uns Petrus damit sagen?

In der Wetterküche ist ziemlich viel Unruhe eingekehrt. Bisher war alles so "einfach". Es gibt da eine Regel - diese lautet: Ist der September mehr als 2 Grad zu warm, wird der Winter zu 100 Prozent mild. Punkt. Über einen gefühlten Winter lässt sich streiten, denn heutzutage fühlt sich ein leicht zu milder Winter kalt an, aber statistisch ist das so. Dazu hatten wir die Vorgeschichte des zu warmen Jahres, des extrem milden Winters, es hat eigentlich alles "gepasst". Und ein kalter und nasser Oktober, möglicherweise mit Schnee, ist sowieso der "Todesstoß" für den Winter.

Die Supermild-September 1999 und 2006 brachten allesamt einen sehr milden Winter in der Folge, letzterer sogar einen neuen Rekord aus rund 250 Jahren. Da der September 2016 nur knapp an einem neuen Rekord vorbeigeschrammt ist, können wir ihn zu dieser Gilde der Supermild-September dazuzählen. Er ist unter den Top 3.

Und nun kommt im Oktober eine deutlich kühlere Witterung mit ersten Schneefällen bis 1000 Meter Höhe und Nachtfrost(gefahr). Ein weiteres Indiz für einen (sehr) milden Winter, oder? Oder auch nicht!?

Außergewöhnliche Wetterlage im Oktober

Der Oktober macht etwas anderes als die "Regel-Oktober". Der Oktober grätscht mit einer Wetterlage daher, die wir selten haben und so kaum noch kennen - vor allem um diese Jahreszeit. Zuletzt hatten wir eine solche Wetterlage in dieser Ausprägung in der ersten Februar-Hälfte 2012. Und das wiederum war eine rekordkalte Lage mit Strengfrösten..., wobei auch der März 2013 ähnliche Lagen auf Lager hatte; Sie erinnern sich? Das war der eisige März mit vielen Schnee- und Frosttagen.

Wenn mir jetzt die Frage gestellt wird: Was meinst du, wie wird der Winter? - dann muss ich passen! Warum? Bis vor kurzem war ich mir zu 100% sicher, dass wir einen milden Winter bekommen. Vielleicht nicht unbedingt einen rekordmilden Winter, aber eben einen milden. So wie wir ihn aus den vergangenen Jahren eigentlich kennen. Einen Winter wie der vergangene oder zwischen 2006-08 (Supermildwinter) hätte ich jetzt nicht unterschreiben können, aber so ein Kaliber, der dem Flachland wenig und dem Bergland mehr Winterwetter bringt, aber nichts Weltbewegendes. 

Wird der kommende Winter eisig?

Lassen Sie mich mal laut nachdenken: Eisige oder strenge Winter kommen aus dem Nichts. Sie haben zwar eine gewisse Vorgeschichte, doch das zeichnet sich nicht immer ab. Im Vorfeld kalter bzw. strenger Winter haben wir schon kalte oder kühle Winter gehabt und nasse und kühle bis kalte Sommer, einen eher kühlen bis kalten September mit einem teilweise goldenen Oktober im Anschluss. 

Schauen wir uns mal die strengsten Winter des vergangenen Jahrhunderts an: Da haben wir die Streng- bzw. Kaltwinterserie 1939-42, 1947 und den zweitkältesten Winter aus rund 250 Jahren 1962/63, wo das letzte Mal der Bodensee zufror. Der Winter 1984/85 war auch streng mit zwei weiteren sehr kalten Wintern. Und der letzte eisige Winter war 1995/96, gefolgt übrigens vom letzten, null Komma ein Grad zu kühlen Sommer 1996. Danach waren, statistisch gesehen, alle Sommer "zu warm" - 20 in Folge an der Zahl, statistisch gesehen. 

Die kalten Winter in den 1940er Jahren

Bevor wir uns in Details verheddern, zurück zu 1939: Der Vorwinter war für damalige Verhältnisse mild, der März kalt, der April warm, der Mail kühl bis kalt, der Sommer warm und auch der September war nicht zu kalt. Der Oktober war schon unterdurchschnittlich, der November wieder recht mild. Und dann kam die große Kälte. 1940 folge ein recht guter Sommer im Juni und Juli, der Absturz kam im August und der nächste kalte Winter folgte, vor allem im Dezember und Januar. Nach einem wieder im Juni und Juli (sehr) warmen Sommer mit einem Ende im August kam der Herbst nicht mehr so richtig in Schwung und mündete in einem vermeintlich milden Dezemberstart. Damals glaubte man nicht so richtig, dass es drei eisige Winter hintereinander geben würde bzw. könnte. Der Strengwinter 1941/42 ließ sich Zeit... Trügerisch mild startete der erste meteorologische Wintermonat Dezember. Der Advent begann mild. Mitte Dezember wurde es dann kalt und es folge ein gesäßkalter Winter: Der Januar schlug mit minus 7,9 und der Februar mit minus 5,4 Grad zu Buche; zum Vergleich: Der eiskalte Dezember 2010, den viele noch in Erinnerung haben, hatte "nur" minus 3,7 Grad, der vergangene Winter plus 3,6 Grad.

Ein für damalige Verhältnisse extrem eisiger Winter kam nach moderaten Wintern 1947. Er gehört mit minus 4,6 Grad zu den kältesten Wintern überhaupt mit einem für damalige Verhältnisse heißem Juli im Voraus, einem zu milden September und einem zu kühlen Oktober. Gefolgt wurde der Winter übrigens vom Hitzesommer 1947, dem Vorgänger unserer Hitzesommer aus der Neuzeit (1983, 1994, 2003, 2015).

Mal gibt es Vorzeichen, mal gibt es sie nicht

Der Winter 1962/63 hatte schon diverse Vorzeichen: Der Winter davor war "normal", der März kalt, der Mai kalt, der Sommer unterirdisch, der September recht kalt, der Oktober im Schnitt. Dann folgte ein Eiswinter, wie wir ihn seitdem nicht mehr erlebt haben. Das Mittel des Winters betrug minus 5,5 Grad. Der kälteste Winter aus den vergangen 25 Jahren war der Winter 1995/96 mit minus 2,3 Grad. 

Strenge und sehr kalte Winter kündigen sich mal durch "Zeichen" an, mal nicht. Mal betten sie sich in eine Zeit für Kälte "günstige Umstände" ein, mal nicht. Genauso ist es milden Wintern oder mit den heißen Sommern. Manche zeichnen sich ab, manche wieder nicht.

Und um es noch ein bisschen komplizierter zu machen, gibt es ja auch noch die Sonnen-Zyklen, die rund 11 Jahre dauern. 11 Jahre zurück: 2005. Das war eine Zeit mit winterlichen Wintern seinerzeit. 

Bevor wir uns wieder verzetteln: Was war denn 2016? 2016 hatte viele "Dümpelwetterlagen". Erinnern wir uns an die schweren Unwetterlagen, die oft durch wenig Luftbewegung hervorgerufen wurden. 2016 hatte auch Kaltlufteinbrüche: Im Januar, teilweise im März, markant Ende April und im Juli. Die einzige Witterungsphase, die völlig aus dem Rahmen sprang, war die Zeit von Mitte August bis Ende September/Anfang Oktober, die trockene Hitzezeit..., wobei strenggenommen auch diese durch eine sehr kühle und regenreiche Phase im Süden Mitte September unterbrochen wurde. 

So lässt sich also das Jahr 2016, schaut man auf den September, eher noch mit 1999 und weniger mit 2006 vergleichen. 2006 möchte ich sogar völlig ausschließen!

Nach dem September 1999 folgte eine andere Witterung, als es jetzt der Fall ist. Der Atlantik spielte viel mehr mit. Der Frühwinter 1999 im November, teilweise mit kräftigen Schneefällen, ist für mich eher noch ein Relikt aus dem Vorwinter und die Wetterlagen lassen sich mit den aktuellen nicht vergleichen.

Oktober 2016 als Vorbote für strenge Wintermonate Anfang 2017?

Der Oktober 2016 steht also ziemlich alleine da. Das ist schon sehr bemerkenswert, was sich da gerade tut - zumal die Wetterlage nicht ein paar Tage hält, sondern wohl länger Bestand haben wird. Die Frage ist nun: Hat das Auswirkungen auf das gesamte Zirkulationsmuster der Nordhemisphäre oder ist das nur eine Phase? Man sagt dem Oktober nach, dass sich gewisse Muster von Wetterlagen gerne im Januar wiederholten. Würde das so kommen, dann aber Nacht Matthes! 

Das NOAA-Modell, darüber haben wir schon gesprochen, pocht weiter auf einen Supermildwinter. Dieses Modell ging jedoch auch von einem kalten und nassen Oktober aus. Mag sein, dass der Oktober eher kalt wird, jedoch nicht aus einer Tiefdrucklage Nordwest oder Nord heraus, sondern durch eine Hochdrucklage mit Nordost bis Ost - eine völlig andere Baustelle!

Das europäische ECMWF sieht einen Nordwest-Winter mit viel Regen und Schnee; Schnee vor allem in den Bergen. Die Abweichungen wären gering. Das Langfristmodell CFS springt ein bisschen, ist aber auch von einem Supermildwinter abgerückt. Hier werden oftmals Ansätze von sehr kalten Hochdrucklagen gezeigt, dann wieder aufgeweicht von (vorübergehendem) Tiefdruckeinfluss mit atlantisch-milden Grüßen.

Es bleiben uns zu guter Letzt nur noch Großwetterlagenvergleiche - und jetzt wird's spannend: Nach einer Großwetterlage wie in diesem Oktober folgt ein eher durchschnittlicher November. Der Dezember zeigt sich mit einem Hoch auf dem Atlantik und einem Tief über dem Nordmeer und Skandinavien. Das würde exakt dem ECMWF entsprechen: Es gäbe eine nass-kalte Nordwestlage mit eher durchschnittlichen Werten.

Krass wären jedoch der Januar, insbesondere aber der Februar. Hier stünde die gesamte Zirkulation Kopf: Die Wetterlage des Oktobers würde sich im Januar wiederholen und in einer lupenreinen Ostströmung im Februar münden mit einem Hochkern auf dem Nordatlantik sowie über Sibirien, verbunden mit einer Hochdruckbrücke. Tiefdruck wäre über dem Mittelmeerraum. Solch ein Zirkulationsmuster hätte einen (extrem) kalten Winter zur Folge, einen Winter, wie wir ihn gar nicht mehr kennen...

Statistisch steht uns ein milder Winter bevor

Wir fassen zusammen: Statistisch steht uns ein milder bis sehr milder Winter bevor. Von den Modellen her ist alles zwischen durchschnittlich und sehr mild drin. Wetterlagentechnisch tischt uns die aktuelle Wetterlage die Möglichkeit eines Strengwinters auf.

Das soll hier bitte alles keine Prognose sein. Ich möchte damit versuchen, Ihnen ein bisschen die Spannung der aktuellen Lage zu vermitteln. Wetter und Witterung sind mehr als "Wie wird es heute und morgen". (Übrigens, der Kollege mit der "Wetterkerze" sieht einen Totalausfall des Winters ohne Schnee. Im vergangenen Jahr sah er einen "Jahrtausendwinter"...)

Tipp: Machen Sie Ihren Garten winterfest

Ich werde Ihnen die Wetterlagen noch einmal gesondert in einem Video zeigen. Ansonsten machen Sie langsam Ihren Garten winterfest. Das wird in der nächsten Zeit nix mehr. Und selbst wenn Mitte Oktober noch mal Sonne und sehr milde Temperaturen kommen, es ist vorbei. Die Nächte werden uns spätestens ab dem Wochenende bei längerem Aufklaren vor allem in der Südhälfte Frost bringen. Und goldenes und laues Oktoberwetter ist mindestens in den nächsten 7 Tagen nicht in Sicht. Beenden Sie daher langsam die Saison im Garten.

In Sachen Winterreifen werden Sie diese in den Mittelgebirgen und Alpen über 1000 bis 1200 Meter Höhe brauchen, im Flachland nicht. Und im Flachland wird auch noch nichts passieren. 

Zu guter Letzt noch etwas aus dem Wetterkarten-Nähkästchen: Bei den GFS-Karten (amerikanisches Modell, das bis zu 16 Tage im Voraus berechnet wird) sammelt sich der Hauptknubbel der kältesten Luftmasse der Nordhemisphäre genau "über uns" im Nordpolarmeer zwischen Grönland und der Barentsee. Wenn dieser Klotz nach Süden ausbüchsen würde, hätten wir - ähnlich wie 2012 - den ersten Winterschlag im Flachland in der 3. Oktober-Dekade. Und Schnee Ende Oktober ist wiederum KEIN Indiz für einen milden Winter - im Gegenteil...

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